In der Ukraine werden Städte bombardiert und Zivilisten getötet. Es herrscht Krieg. Menschen flüchten aus ihrer Heimat, vor Tod und Zerstörung. An Ferien ist nicht zu denken. Eigentlich. Denn genau das bietet ein ukrainisches Reiseunternehmen jetzt an – sechs Monate nach dem Einmarsch der russischen Armee.
«Begeben Sie sich jetzt auf eine Reise in die wunderbare Ukraine», heisst es auf der Website des Reiseveranstalters Visit Ukraine.Today. Die Online-Plattform hat im vergangenen Monat geführte Tagestouren zu den sogenannten «Tapferen Städten» lanciert, die den russischen Angreifern getrotzt haben und weiterhin Widerstand leisten. Sie wollen Reisenden Einblick in das Leben eines Landes mitten im Konflikt bieten. Und mit dabei: die Gefahr, zu sterben.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten hat offiziell von Reisen in die Ukraine abgeraten und allen Schweizer Staatsangehörigen dringend empfohlen, so schnell wie möglich aus dem Land auszureisen.
Minen- und Bombengefahr auf der Tour
Trotz allen Warnungen hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bisher 150 Tickets verkauft. Seine Website verzeichnet sogar 50 Prozent mehr Aufrufe als vor der Invasion, monatlich 1,5 Millionen Zugriffe. Das Unternehmen weist darauf hin, dass die Touren gefährlich sind. Unter anderen stellen Landminen ein grosses Risiko dar. Gleichzeitig betont die Firma aber auch, dass die Guides sich auskennen.
«Ein ortskundiger Führer, der genau weiss, welche Richtung man einschlagen muss, ist eine Garantie. Wenn Sie sich auf eigene Faust zehn Meter nach links oder zehn Meter nach rechts wagen, könnten Sie auf eine Mine oder eine Bombe stossen,» sagt Anton Taranenko, der Gründer und Geschäftsführer von Visit Ukraine, zu CNN Travel.
«Kommen Sie bitte jetzt!»
Aller Gefahren zum Trotz fordert Taranenko dazu auf, seine Heimat zu besuchen. «Wenn Sie unsere zerstörten Städte und die tapferen Menschen sehen wollen, die kämpfen, dann kommen Sie bitte jetzt!». Und weiter: «Es geht nicht nur um die Bomben, sondern auch darum, wie die Menschen in der Ukraine lernen, mit dem Krieg zu leben und sich gegenseitig zu helfen.»
Das Land zu entdecken bedeute, in die Augen der Ukrainer zu schauen, deren Leben sich für immer verändert habe, die aber in der Erwartung des Sieges leben.
Im Leben der Ukrainer treffen Krieg und Alltag hart aufeinander. «Vielleicht sieht man auf der anderen Strassenseite, wo kürzlich eine Bombe eingeschlagen ist, Freunde, die in einem wiedereröffneten Bistro nettes traditionelles Essen essen», so Taraneko. «Die Kinder wachsen heran, wir versuchen, das Leben so gut wie möglich zu leben, egal was passiert.»
«Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für einen Besuch»
Als die Russen einmarschierten, brach die Tourismus-Branche in der Ukraine ein. Visit Ukraine möchte jetzt etwas daran ändern und wirbt für das eigene Land. Dafür wurden sie auch von der Regierung gelobt. Priorität habe aber natürlich erstmal den Krieg zu beenden.
«Auf staatlicher Ebene wollen wir, dass die Ukraine für den Tourismus offen ist, aber dafür müssen wir gewinnen und den Krieg beenden. Unser offizieller Standpunkt lautet: Besuchen Sie die Ukraine, wenn es sicher ist, vielleicht ist es nächstes Jahr möglich, hoffe ich», sagt Mariana Oleskiv, Vorsitzende der staatlichen Agentur für Tourismusentwicklung der Ukraine, zu CNN.
Taraneko jedenfalls ist optimistisch, dass er im nächsten Jahr Besucher in sein Land einladen kann. Er hofft, dass der Krieg dann endlich vorbei sei. Und er mehr als 150 Tickets verkauft. (hei)