Es sollte schnell gehen. Innert weniger Tage wollte Kreml-Chef Wladimir Putin (69) im Februar 2022 die Ukraine erobern. Doch sein Blitzkrieg-Plan ging nach hinten los. Seither versucht, das russische Militär den Donbass einzunehmen. Die Monate zehren an den Russen. Kein Wunder: Viele Kameraden sind bereits im Krieg gefallen. Das Material wird knapp und die Moral bröckelt.
Einige russische Soldaten weigern sich, zu kämpfen. Manche gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie wechseln die Seite. Rund 100 Soldaten sollen sich der sogenannte «Legion Freiheit Russlands» angeschlossen haben. Diese besteht aus Überläufern sowie anderen belarussischen und russischen Kämpfern, wie das unabhängige russische Nachrichtenportal «Moscow Times» berichtet.
Einer von ihnen ist Arni. Seinen richtigen Namen will er nicht nennen. Er möchte unerkannt bleiben. Keine Alter, kein richtiger Name. «Ich bin so oder so in diesem Krieg gelandet. Ich sagte mir, entweder würde ich als Besatzer und Mörder sterben oder mit einem guten Gewissen. Also habe ich die Seite gewechselt», sagt Arni zur «Moscow Times».
Für ein neues Russland, gegen das Putin-Regime
Die «Legion Freiheit Russlands» besteht seit März. Sie ist eine von mehreren Einheiten, die von der ukrainischen Armee im Rahmen des Krieges gebildet wurde. In einer Art Manifest hat die Einheit festgehalten, dass sie «für ein neues Russland kämpfen und Präsident Putins diktatorisches Regime loswerden» wolle.
Wie viele Soldaten für die «Legion Freiheit Russlands» kämpfen, ist unklar. Die genaue Truppenstärke wollen sie nicht preisgeben. Laut Experten dürften «einige Hundert bis etwas über 1000 Soldaten» der Einheit angehören.
Arni nennt ebenfalls keine genauen Zahlen. Jeden Tag würden aber rund 300 Personen ein Gesuch einreichen, um bei der Legion mitkämpfen zu können. «Das bedeutet aber nicht, dass täglich so viele Menschen zu uns kommen. Wir müssen diese Anfragen prüfen. Ausserdem torpedieren uns die russischen Geheimdienste mit gefälschten Anfragen.» Unabhängig überprüfen lassen sich seine Aussagen nicht.
«Ich will gegen Putin kämpfen»
Auch der Soldat mit dem Kampfnamen «Professor» kämpft gegen Putins Truppen. Er stammt gemäss eigenen Aussagen aus «einer Region im Zentrum Russlands» und entschied sich relativ früh, in den Krieg zu ziehen. «Ich habe mich geschämt und konnte nicht einfach zusehen», sagt «Professor» im Gespräch mit der «Moscow Times».
«Ich habe das Risiko auf mich genommen, weil ich gegen Putin kämpfen will. Ich will ein freies Russland», sagt der 25-Jährige weiter.
Die richtigen Namen der Soldaten werden im Gespräch aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben, genauso wie die Hintergründe der Kämpfer. Zudem wird vonseiten der ukrainischen Armee nicht bekannt gegeben, wo die Einheit eingesetzt wird. In den sozialen Medien ist die Gruppe zwar aktiv, Details zu den Einsätzen gibt es aber nicht.
Russen glauben nicht, dass es diese Legion überhaupt gibt
Wegen der wenigen Informationen gibt es auch immer wieder Zweifel, wie gross die Einheit wirklich ist und wie viele russische Soldaten tatsächlich gegen Putin kämpfen. Gegenüber der «Moscow Times» sagt der ukrainische Kriegsreporter Illia Ponomarenko, es gebe sicherlich «einige russische Kämpfer». Wie die Truppe aber genau organisiert und aufgebaut sei, wisse man nicht.
In den russischen Staatsmedien wird die Existenz der Legion sogar ganz angezweifelt. Die Legion sei «fake und vom ukrainischen Geheimdienst inszeniert» worden. Dann wiederum gibt es russische Medienberichten über russische Soldaten, die verhaftet wurden, weil sie sich der «feindlichen Legion» angeschlossen hätten.
Auch wenn sie für ein neues Russland und damit aus ihrer Sicht für eine gute Sache kämpfen. Gegen die eigenen Leute die Waffen zu erheben, sei trotzdem schwierig. «Ich spüre schon einen gewissen Widerstand in mir, wenn ich gegen meine Landsleute kämpfen muss», sagt «Professor». Aber: «Ich habe Prinzipien, für die ich einstehe. Ich will ein freies und demokratisches Land – und dafür kämpfe ich.» (zis)