Er war einst der reichste russische Oligarch, dann forderte der ehemalige Chef des 2007 bankrott gegangenen Ölkonzerns Yukos Reformen: Der frühere Putin-Vertraute Michail Chodorkowski (59) verbrachte zehn Jahre in Haft, wegen Steuerhinterziehung und Betrug. Politisch motivierte Vorwürfe, so Chodorkowski.
Heute lebt der frühere Ölbaron mit seiner Familie im Londoner Exil. Er gilt als einer der besten Kenner und schärfsten Kritiker des russischen Kriegspräsidenten Wladimir Putin (69). Und er glaubt zu wissen, wie es um Putin steht. Wie weit der Kreml-Chef im Krieg in der Ukraine gehen wird, um auch seine eigene Haut zu retten.
Atomschlag nicht vor Anfang 2023
Im Gespräch mit CNN zweifelt Chodorkowski, dass Putin bereits heute den Einsatz von Atomwaffen erwägt. «Putin ist in einer schwierigen Situation», sagt er. «Wenn er in der Ukraine verliert, verliert er auch die Macht und möglicherweise sein Leben.» Daher sei «die Drohung, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, kein Bluff».
Chodorkowski glaubt indes nicht, das Putin bereits heute zu so einer Eskalation bereit ist. Auch wenn es nach den jüngsten Rückschlägen an der Front selbst in den eigenen Kreml-Reihen rumort: In naher Zukunft sei ein Atomschlag «nicht wahrscheinlich», sagt Chodorkowski. «Nicht vor Anfang nächsten Jahres.»
Schlinge um Putin zieht sich immer mehr zu
Wenn Putin aber weiter in die Enge getrieben werde, die Teilmobilmachung nicht den gewünschten Erfolg bringe, «wird die Frage des Einsatzes taktischer Atomwaffen auf der Tagesordnung stehen», ist Chodorkowski überzeugt.
Mit der Mobilisierung von rund 300'000 Reservisten sei Putin bereits ein grosses Risiko eingegangen. In der russischen Elite gebe es jetzt Risse wegen des Krieges. Die Teilmobilmachung sei ein «sehr gefährlicher Schritt», der auch Putins Sturz einleiten könne. Waffen würden an gewöhnliche Menschen übergeben. «Diese können ihre Waffen leicht gegen den Kreml richten. Das», betont Chodorkowski, «ist in der russischen Geschichte schon vorgekommen.» (kes)