Omikron breitet sich rasant aus. Die neue Coronavirus-Variante macht in der Schweiz bereits 3,6 Prozent aller Fälle aus. Nach Angaben der WHO und auch wegen der bisherigen Daten aus Südafrika zeigt sich, dass die Variante weniger schwere Symptome hervorrufen könnte.
Ist Omikron also gar nicht so schlimm? Ein US-Unternehmen für Datenanalyse aus Cambridge hat eine Preprint-Studie veröffentlicht, die ür möglich hält, dass die Variante möglicherweise Erbgutteile von Erkältungsviren in ihre RNA integriert. Dadurch würde sich Omikron zu einem harmlosen Erreger entwickeln.
Fachleute halten diese Behauptung allerdings für Quatsch. Der Virologe Stuart Neil vom King's College London schiesst auf Twitter scharf gegen diese Aussage: «Die Autoren sollten ihre Arbeit durch eine Erklärung erweitern, warum diese Idee Blödsinn ist.»
Der Virologe Marco Binder vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) pflichtet Neil bei. «Ich kenne niemanden von Rang und Namen, der die Hypothese aus dem Papier kaufen würde», sagte er zum «Spiegel». Sie sei «an den Haaren herbeigezogen». Die Autoren sprechen in ihrer Arbeit von drei zusätzliche Aminosäuren im Spike-Protein von Omikron. Der Ursprung sei jedoch noch unklar. «Die können von überall stammen, es gibt derzeit keinen Hinweis, dass ein Corona-Erkältungsvirus irgendetwas damit zu tun hat», sagt Binder.
Ausbreitung entscheidend für Erfolg der Variante
Dass sich das Virus im Zuge der Evolution abschwäche und harmloser würde, sei falsch, betont Binder. «Das Einzige, was über den Erfolg einer Variante entscheidet, ist, wie gut sie sich ausbreitet.»
Das könne man bei Ebola beobachten. Die Ausbreitung des extrem tödlichen Virus konnte zu einem Teil dadurch eingeschränkt werden, weil die Infizierten wegen ihres schweren Krankheitsverlaufes nicht so viel mit anderen Menschen in Kontakt traten. Trotzdem kommt es immer wieder zu Ausbrüchen und «bislang ist nicht zu erkennen, dass es harmloser wird», sagt Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. Wäre die These korrekt, hätten sich wohl fast alle Viren mittlerweile zu harmlosen Varianten entwickelt.
Für Omikron bedeutet das: Solange die Variante sehr ansteckend ist, kann man die positive Eigenschaft des milden Verlaufs praktisch ausser Acht lassen. Denn das Mehr an Infektionen führt automatisch dazu, dass es viel mehr Kranke gibt als vorher. Und das trifft vor allem Ungeimpfte.
Impfung besonders wichtig
Denn was die bisherigen Forschungsergebnisse auch zeigen, ist, dass der Verlauf vor allem bei Genesen und Geimpften milder abläuft. Die Erklärung liegt in den T-Zellen. Die Antikörper, die eine Ansteckung verhindern sollen, scheinen bei Omikron zwar weniger gut zu arbeiten. Die zelluläre Immunantwort, die das Virus nach der Infektion im Körper eindämmt, gibt dagegen einen Grund zur Hoffnung. «Dadurch ist zu erwarten, dass die T-Zell-Antwort gegen Omikron weiterhin gut anspricht und damit in den allermeisten Fällen einen schweren Verlauf verhindert. Das heisst: Die Impfung – idealerweise mit Booster – ist wichtiger denn je!», sagt Virologe Marco Binder vom DKFZ dem «Spiegel».
Ersten Labordaten zufolge schützten zwei Dosen nicht ausreichend vor einer Infektion mit der kürzlich entdeckten Variante, teilten die Unternehmen am Mittwoch mit. Sie gehen allerdings davon aus, dass der Schutz vor einer schweren Erkrankung weiterhin gegeben ist. Die Unternehmen haben bereits damit begonnen, ihren Impfstoff an die Omikron-Variante anzupassen. (man)