Laut Behörden «nie dagewesene Extremsituation»
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Unwetter in Österreich:«Eine nie dagewesene Extremsituation»

Experten beantworten die wichtigsten Fragen zur Flut in Mittel- und Osteuropa
«Das Wetter ist ausser Rand und Band geraten»

In Polen läuft ein Staudamm über. In Österreich wird das ganze Bundesland Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt. In Tschechien sind eine Viertelmillion Haushalte ohne Strom. In Rumänien kommen vier Menschen ums Leben. Experten ordnen die Unwetter ein.
Publiziert: 15.09.2024 um 17:28 Uhr
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Aktualisiert: 16.09.2024 um 10:41 Uhr
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Polen: das überflutete Zentrum von Glucholazy im Süden des Landes.
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • Starkregen durch Mittelmeer-Tief Boris verursacht
  • Hochwasser in Österreich, Polen, Tschechien und Rumänien
  • Gemäss Experten führt der Klimawandel zu einer Häufung von extremen Wetterereignissen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel JungRedaktor News
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Welche Wetterlage hat zu den Niederschlägen geführt?

Der Starkregen wurde durch das Mittelmeer-Tief Boris verursacht. Das Tief war am Donnerstag vom Golf von Genua über Norditalien zur Adria gezogen.

«Je wärmer es wird, desto mehr Wasser haben solche Tiefs im Gepäck», sagt der deutsche Meteorologe und Klimaforscher Mojib Latif (69). In den vergangenen Jahrzehnten seien Hochwasser in Mitteleuropa meist mit der Wetterlage Vb («fünf-B» ausgesprochen) verbunden gewesen. «Doch das Mittelmeer ist in diesem Jahr aussergewöhnlich warm.» Bei höheren Meerestemperaturen verdunste mehr Wasser, und wärmere Luft könne mehr Wasser transportieren.

Sonia Seneviratne (50), Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH Zürich, sagt: «Solche Ereignisse hat es natürlich auch in der Vergangenheit gegeben. Aber jetzt, mit zunehmender Erderwärmung, ist der Regen noch intensiver.»

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Welches sind die wichtigsten Brennpunkte?

Das Bundesland Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt. Dort ist ein Feuerwehrmann tödlich verunfallt. In Wien wurde der Betrieb auf zwei U-Bahn-Linien vorsichtshalber teilweise eingestellt.

In Polen ist ein Mann bei den Überschwemmungen ertrunken. Regierungschef Donald Tusk (67) wiederholte seinen Appell an die Bevölkerung, die Evakuierungsaufrufe ernst zu nehmen. «Die Situation ist an vielen Orten dramatisch.»

In Tschechien wurden Tausende Menschen evakuiert. Landesweit waren am Sonntag mehr als 250'000 Haushalte ohne Strom. Mindestens vier Menschen galten weiter als vermisst.

Auch im Osten Rumäniens kam es zu Überschwemmungen. In den Landkreisen Galati und Vaslui sind mindestens vier Menschen ums Leben gekommen.

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Wie selten sind solche Regenmengen?

In einigen Hochwassergebieten Österreichs ist innerhalb von vier Tagen so viel Regen gefallen wie sonst im gesamten September. Beim Fluss Thaya im Bezirk Waidhofen wurde nach offiziellen Angaben der Pegelstand für ein Hochwasser, das alle 100 Jahre zu erwarten ist, überschritten. In Polen wurde zum Teil mehr Regen gemessen als bei der Jahrtausendflut 1997.

«1997 könnte jetzt sogar noch mal überboten werden», sagt Mojib Latif. «Die Häufung solcher Jahrtausendhochwasser zeigt, dass unser Klima und unser Wetter irgendwie doch schon ausser Rand und Band geraten sind.» Dies als Folge der globalen Erwärmung.

Sonia Seneviratne betont, dass es zwar statistisch korrekt sei, von «Jahrhundertereignissen» zu sprechen, wenn man in die Vergangenheit schaue. «Aber man muss sich einfach im Klaren sein, dass solche Ereignisse jetzt viel häufiger auftreten.» Deshalb müsse man besser darauf vorbereitet sein.

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Waren die Warnungen ausreichend?

«Ja, absolut», sagt Mojib Latif. Jedoch seien Wetterphänomene immer erst ein paar Tage vorher prognostizierbar – und so kurzfristig könne man sich auf so ein Ereignis kaum vorbereiten.

Bereits am letzten Dienstag (10. September) gab es deutliche Warnungen: So prognostizierte das deutsche Wettermodell Icon für den Raum Riesengebirge in Polen bis zu 500 Liter je Quadratmeter Niederschlag für 72 Stunden.

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Was kann man aus der aktuellen Situation lernen?

«Es ist klar etabliert, dass solche Starkregen-Ereignisse als Folge des menschenverursachten Klimawandels häufiger auftreten und intensiver geworden sind», sagt Sonia Seneviratne. Im Durchschnitt nehme die Regenintensität pro Grad globaler Erwärmung um sieben Prozent zu. Aktuell liegt die Erderwärmung bei rund 1,2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter, somit habe die Regenintensität im Schnitt bereits um acht Prozent zugenommen.

Reagieren müsse man auf drei Ebenen, so die Klimaforscherin: Man müsse Warnprozesse weiter verbessern und die Infrastruktur an die höheren Niederschlagsmengen anpassen. «Ausserdem müssen wir die CO₂-Emissionen sehr stark reduzieren und so schnell wie möglich auf null bringen, um die globale Erwärmung zu stabilisieren», fordert sie.

Kurzfristig, sagt Mojib Latif, müsse man den Flüssen mehr Auslauf geben und die Versiegelung zurückfahren, damit mehr Wasser versickern könne. Langfristig, so betont auch er, helfe aber nur eine Senkung der Treibhausgasemissionen. «Der Bremsweg ist schon ziemlich lang.»

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Hochwasser gibt es aktuell auch in Nigeria und Myanmar: Hat das etwas mit Mitteleuropa zu tun?

Latif verneint. Dennoch sei bei allen Extremereignissen eine «unsichtbare Hand» im Hintergrund – die globale Erwärmung.

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Was kommt noch auf Mitteleuropa zu?

«Es wird noch ein paar Tage weiter regnen», sagt Latif. Danach dauere es noch eine Weile, bis die Pegel ihre Höchststände erreichen. «Wenn alles gut geht, was ich aber nicht weiss, ist der Höhepunkt Anfang bis Mitte der Woche erreicht; dann fängt die Lage hoffentlich an, sich ganz allmählich zu normalisieren.»

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