ETH-Professorin Sonia I. Seneviratne
Weshalb heftige Niederschläge ein weiteres Gesicht der Klimakrise sind

Dass die Klimaerwärmung langfristig zu Trockenheit und Hitze führt, scheint klar. Warum die starken Niederschläge und Überschwemmungen in den letzten Tagen aber auch mit der Klimakrise zusammenhängen, erklärt Klimawissenschaftlerin Sonia Seneviratne.
Publiziert: 12.06.2024 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2024 um 20:20 Uhr
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Wenn warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnimmt, kann es vermehrt zu Starkniederschlägen kommen, schreibt Klimawissenschaftlerin Sonia Seneviratne.
Foto: IMAGO/AAP
Sonia I. Seneviratne

Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Das ist eine sehr einfache und etablierte physikalische Tatsache. Das physikalische Gesetz von Clausius-Clapeyron zeigt, dass diese Zunahme etwa 7 Prozent pro Grad Celsius beträgt. Deshalb führt ein wärmeres Klima nicht nur zu mehr Hitzewellen, sondern auch – je nach Region und Jahreszeit – zu häufigeren Starkniederschlägen und/oder Trockenheit. 

Es mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, dass wärmere Luft sowohl mehr Regen als auch mehr Trockenheit verursachen kann. Die physikalische Erklärung dafür ist aber simpel: Wenn ein Gefäss, das Wasser aufnehmen kann (in der Atmosphäre sind es die Luftmassen), plötzlich eine grössere Kapazität hat, braucht es auch mehr Zeit, bis es voll ist. Zu Regen kommt es, wenn die Sättigung der Luft erreicht wird, das heisst, wenn dieses Gefäss voll ist. Es braucht also bei gleichen Wetterlagen unter wärmeren Bedingungen mehr Wasserzufuhr, bis Sättigung erreicht wird, was zu verlängerten Perioden ohne Regen führen kann. Ausserdem nimmt die warme Luft auch mehr Wasser aus dem Boden auf, was zu einer verstärkten Austrocknung der Böden in regenarmen Phasen führt.

Wenn die Luftsättigung erreicht wird, enthalten die Luftmassen allerdings viel mehr Wasser als in einem kälteren Klima. Dies führt mit zunehmender globaler Erwärmung zu einem höheren Risiko von Starkniederschlägen und von damit verbundenen Überflutungen. In vielen Regionen zeigen die Beobachtungen deshalb gleichzeitig eine Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Starkregen und Trockenheitsereignissen – so auch in Westmitteleuropa und der Schweiz.

Diese Abbildung zeigt die Zunahme von Starkniederschlägen über dem Land.
Foto: IPCC

Heftige Niederschläge stellen eine grosse Gefahr dar, wie erst kürzlich zu sehen war. Das Wasser ist nach starkem Regen in den letzten Tagen zum Beispiel um den Bodensee über die Ufer getreten. In Süddeutschland gab es «Jahrhundertniederschläge», obwohl es schon 2021 ein solches Jahrhundertereignis im Land gab. Während die Kosten des aktuellen Ereignisses noch nicht abgeschätzt werden können, betrugen die Kosten der Niederschläge im Jahr 2021 in Deutschland und Belgien mindestens 10 Milliarden Euro. Mehr als 200 Personen starben in Folge des starken Regens und der Überschwemmungen.

Die Klimakrise hat viele Gesichter und betrifft alle Regionen der Welt. Sie verursacht dauerhafte und irreversible Schäden und tötet Menschen. Einige wenige Massnahmen könnten die Verschärfung dieser Krise bremsen. Zum Beispiel ein baldiges Verbot von Benzinautos oder Erdölheizungen und die Ersetzung von fossilen Energieträgern mit erneuerbaren Energien (Solar, Wind, Wasserkraft). Die Länder, die zu wenig unternehmen, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren, werden in zukünftigen Geschichtsbüchern als fahrlässig bezeichnet werden.

Die Klimakrise kostet uns viel, und die Kosten werden noch weiter zunehmen, wenn wir uns nicht bemühen, unsere CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren. Es soll in zwanzig Jahren nicht gesagt werden, dass die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von heute nicht davor gewarnt hätten.

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