ETH-Experte warnt vor möglicher Internet-Sabotage
Die Huthi-Rebellen könnten uns den Stecker ziehen!

Während europäische Kriegsschiffe ins Rote Meer ziehen, um den maritimen Handel zu schützen, braut sich unter der Meeresoberfläche die nächste Eskalation zusammen: Die Huthi-Rebellen nehmen die Untersee-Internetkabel ins Visier.
Publiziert: 09.02.2024 um 19:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.02.2024 um 17:01 Uhr
Greifen die Huthi-Rebellen schon bald die Internetkabel im Roten Meer an?
Foto: Shutterstock
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Die Situation im Roten Meer droht weiter zu eskalieren. Seit zwölf Wochen greifen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen immer wieder Handelsschiffe an. Grosse Reedereien meiden die Route bereits mehrheitlich. Die EU hat angekündigt, sich an einer Marinemission zu beteiligen. Unter anderem sollen im Rahmen der US-Initiative «Prosperity Guardian» Kriegsschiffe entsendet werden. Mit der Entsendung der Fregatte «Hessen» hat die deutsche Bundeswehr bereits am Donnerstag den Startschuss für die EU-Mission gegeben.

Während also westliche Staaten Kriegsschiffe ins Rote Meer schicken, macht sich eine neue Sorge breit: Das nächste Ziel der Huthis könnte unter statt über dem Meeresspiegel liegen. Gemeint sind Dutzende Unterseekabel, die fast den gesamten Daten- und Finanzverkehr zwischen Europa und Asien übertragen. Auf sie entfällt fast ein Fünftel des weltweiten Internetverkehrs. Ein Ausfall dieser verborgenen Adern der globalen Kommunikation wäre fatal.

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Seit 12 Wochen greifen Huthi-Rebellen westliche Handelsschiffe im Roten Meer an.
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Huthis drohen dem Westen auf Telegram

Ende Dezember auf einem Telegram-Account Drohungen gegen die Glasfaserkabel gepostet, die durch die Meerenge von Bab el-Mandeb im Westen des Jemen verlaufen: «Wusstet ihr, dass die Internetkabel, die den Osten mit dem Westen verbinden, durch diese Meerenge verlaufen? Sie sind in unserer Hand.» Dann folgte die sichtlich rhetorische Frage, ob dies «nicht eine verschleierte Botschaft an die westliche Koalition» sei. Die nebulösen Drohungen wurden nach Angaben des Middle East Media Research Institute von Konten, die mit vom Iran unterstützten Kämpfern in Verbindung stehen – wie die Huthi und die Hisbollah –, aufgegriffen und verstärkt.

Jemenitische Telekommunikationsunternehmen halten das Szenario eines Angriffs auf die Kabel für durchaus realistisch. Moammar al-Eryani, der jemenitische Informationsminister, sagte, die Huthis würden nun «den globalen Kommunikationssektor und die Wirtschaft ernsthaft bedrohen». Rund 99 Prozent der interkontinentalen Kommunikation läuft über Unterseekabel – auch Finanztransaktionen und Überweisungen zwischen Banken. Auch viele Verteidigungsministerien sind auf Kabel angewiesen.

Insgesamt 16 Internetkabel verlaufen durch das Rote Meer. Das grösste Risiko liegt beim Kabel «Asia-Africa-Europa-1» (AAE-1), knapp so dick wie ein Gartenschlauch. Es verläuft rund 24'945 Kilometer entlang des Meeresbodens. Das Kabel schlängelt sich durch das Südchinesische Meer in Richtung Europa und versorgt über ein Dutzend Länder von Hongkong bis Frankreich mit Internet. Knapp 2000 Kilometer davon laufen durchs Rote Meer – die Gefahrenzone.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Route bereits zu einem der grössten Engpässe der Welt entwickelt und gilt als der verwundbarste Ort des Internets auf der Erde. Bereits im Juni 2022 warnte die EU in einem Bericht davor, dass «maritimer Terrorismus» eine grosse Sorge in dem Gebiet sei.

Wenn der Iran mithilft, hat Europa Blackout

Sind wir jetzt also im Roten Meer beim maritimen Terrorismus angekommen? Mauro Gilli, Sicherheitsexperte an der ETH, warnt im Gespräch mit Blick: «Das Risiko, dass diese Kabel unterbrochen werden, besteht.» Zwar sei die Sabotage solcher Kabel eine Herausforderung, «aber durchaus machbar». Besonders einfach wäre eine Beschädigung der Unterwasserkabel an den Orten, an denen die Kabel vom Meeresgrund auf Land wechseln. Dort sei, so Gilli, das Wasser mit maximal 100 Metern flach genug, damit Taucher mit herkömmlichen Ausrüstungen Sprengstoff an den Kabeln anbringen könnten.

Je tiefer die Kabel aber im Meer versenkt sind, desto schwieriger wird es für Saboteure, erklärt der Experte – besonders für eine Gruppierung wie die Huthis. Aber: Die Huthis haben bei ihren Angriffen auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer eine Reihe hoch entwickelter Waffen eingesetzt, darunter ballistische Raketen und Kamikaze-Drohnen. Es sei auch bekannt, dass sie Taucher ausgebildet haben und im Besitz von Minen sind, schreibt «Daily Mail».

Trotzdem beschwichtigt Gilli: «Bei den Huthis kann man davon ausgehen, dass sie nicht über die nötigen Fähigkeiten für diese Operation verfügen.» Doch: «Der Iran ist wahrscheinlich in der Lage, einen Angriff in flachen Gewässern durchzuführen, entweder mit Tauchern oder mit U-Booten.» Offen bleibt also die Frage, ob der Iran die Huthis bei einem solchen Vorhaben unterstützen würde. Möglich ist es, so Gilli. Insbesondere im Licht der sich verschlechternden Beziehungen zwischen dem Iran und den USA.

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