Erst wollen sie der Ukraine helfen, Wladimir Putins (70) Streitkräfte aus dem Land zu vertreiben – dann wollen sie das amtierende Oberhaupt ihrer Heimat bezwingen. Sie sind tschetschenische Widerstandskämpfer, die derzeit an den kritischsten Fronten im Einsatz sind.
«Die Tschetschenen kennen die Methoden der russischen Kriegsführung nur zu gut», sagt Achmed Sakajew (63) im Gespräch mit der «Bild»-Zeitung. Der Premierminister der Exilregierung erinnert sich noch an die beiden Tschetschenienkriege. Während der Interventionen der russischen Armee standen Gräueltaten wie Folter, Vergewaltigungen und Mord an der Tagesordnung.
Von Syrien in die Ukraine
Bereits vor 30 Jahren hätten die Tschetschenen das erleiden müssen, was der russische Imperialismus nun in der Ukraine anrichte, erklärt Sakajew. Obwohl die russischen Streitkräfte zahlenmässig überlegen waren, brauchten sie lange, um die tschetschenische Unabhängigkeitsbewegung zu besiegen.
Die Republik Itschkerien – so bezeichneten sich die tschetschenischen Separatisten – zerbrach. Dennoch wollten einige Widerstandskämpfer nicht aufgeben. Junge Männer schlossen sich radikalen Gruppierungen an, um einen Guerillakrieg gegen die russischen Besatzer zu führen.
Einer von ihnen ist Rustam Azhiev (42). In Syrien führte er eine islamistische Einheit tschetschenischer Kämpfer an. Nun kämpft er als Militärkommandant auf der Seite der Ukrainer. «Hier gibt es klare Strukturen, klare Aufträge, eine ganz andere Organisation des Kampfes», sagt Azhiev zu «Bild».
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Seine erste Mission habe ihn direkt nach Bachmut geführt. Im Häuserkampf gegen die Russen habe er an vorderster Front gekämpft. Laut dem Tschetschenenkämpfer wird seine Einheit für ausserordentlich gefährliche Einsätze ausgewählt. Dazu zählen Aufklärung und Sabotage hinter den feindlichen Linien.
Für die Widerstandskämpfer ist eines klar: Durch ihren Einsatz in der Ukraine steige die Hoffnung vieler Tschetschenen auf die Befreiung ihrer Heimat. Sakajew glaubt, dass der Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow (46) gestürzt werde, wenn Putin den Krieg in der Ukraine verliert. «Dann wird es in Tschetschenien freie Wahlen und Rechte für jeden Tschetschenen geben, ohne Terror, Korruption und Unterdrückung.» (bab)