Es sind heftige Kämpfe, die die Ostukraine zurzeit erschüttern. Einerseits beginnt Russland mit einer neuen Offensive in Luhansk und Donezk, andererseits schlägt das ukrainische Militär heftig zurück. Bei diesen wurde auch kritische zivile Infrastruktur getroffen, so russische Behörden. Auch auf der Krim und im südlichen Melitopol kam es zu zahlreichen ukrainischen Angriffen.
«Der Donbass ist die Hauptfront im Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine», sagte Serhij Tscherewatyi, Sprecher der Heeresgruppe Ost der ukrainischen Streitkräfte, am Samstag im Fernsehen. Mit heftigen Angriffen auf Donezk, der Hauptstadt der gleichnamigen Separatisten-Oblast, unterstreicht das ukrainische Militär in den letzten Tagen diese Dringlichkeit.
Zu Unmut führt dies vor allem bei den russischen Stellvertreterregierungen in den illegal annektierten Gebieten, wie The Institute for the Study of War (ISW) am Samstag berichtet. Man sei unzufrieden, dass es den Truppen von Wladimir Putin (70) noch nicht gelungen ist, die ukrainischen Truppen weiter westlich von Donezk zu drängen und den Donbass «zu verteidigen».
«Nur der Kreml sieht den Krieg als erfolgreich an»
Der ehemalige Verteidigungsminister der selbsternannten Donezker Volksrepublik (DNR), Igor Girkin (51), der 2014 auch die Belagerung von Slowjansk geleitet hatte, kritisierte Putin direkt dafür, dass er es versäumt hatte, die ukrainischen Streitkräfte von Donezk wegzudrängen, obwohl Putin den Schutz der Zivilbevölkerung im Donbass als eines der Ziele der russischen «militärischen Sonderoperation» bezeichnet hatte. Insbesondere die Erklärung Putins vom Freitag, in der er die Operation als «stabil» bezeichnete, stösst ihm sauer auf. «Nur Putin und das russische Verteidigungsministerium sehen den Krieg als erfolgreich an», wird Girkin vom ISW zitiert.
Auch der ehemalige Sicherheitsminister von Donezk, Alexander Chodakowski, stellte fest, dass die Kritik an Putin immer lauter wird. Ein prominenter russischer Kriegsblogger warf den russischen Streitkräften ausserdem vor, bei der Verteidigung der Stadt Donezk keinen Gegenbeschuss durchgeführt zu haben, obwohl sie dies in den vorangegangenen acht Kriegsjahren nie versäumt hatten.
Putin sucht tschetschenische Alternative
Die russischen Stellvertreter hatten den Kreml laut ISW schon vor der Invasion im Februar davor gewarnt, dass die Militäroperation fehlschlagen könnte. Trotzdem hat man sich in dem Glauben hinter Putin gestellt, dass sein Krieg wenigstens die russische Besetzung des Donbass erreichen würde. Doch Putin hat weder sein rhetorisches Ziel vom 24. Februar, die Menschen im Donbass zu «retten», indem er die Kiewer Regierung zur Kapitulation zwingt, noch seine lokalen militärischen Ziele im Donbass erreicht – und zerschlägt das Vertrauen in den russischen Machthaber.
Statt sich das Vertrauen der stellvertretenden Beamten wieder zu sichern, setzt Putin auf die tschetschenische Alternative: Wie das ISW schreibt, «importieren» russische Behörden zunehmend tschetschenische Beamte, um die Verwaltung der besetzten Gebiete zu übernehmen. So wolle man die Kontrolle über die Gebiete behalten – die Tschetschenen unter Ramsan Kadyrow (46) sind bekanntermassen sehr kremltreu.
Die tschetschenische Republik und die ihr angeschlossenen Beamten sind für ihre Brutalität bekannt und nicht gerade für ihre administrativen Fähigkeiten. Aber tschetschenische Einheiten haben während des gesamten Krieges eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Gesetze gespielt und als Sicherheitsdienste in den russischen Rückzugsgebieten in den besetzten Teilen der Ukraine fungiert.