Nach sieben Tagen Waffenruhe steht der Gazastreifen wieder unter intensivem israelischen Beschuss, auch in Israel gab es bereits wenige Minuten nach Ende der Feuerpause Raketenalarm. Aktuelle Bilder aus dem Küstenstreifen zeigen ähnliche Szenen wie vor einer Woche: Tote, Verletzte, Chaos, Zerstörung. In den ersten Stunden nach Wiederaufnahme der Kampfhandlungen wurden laut Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza mindestens 175 Palästinenser getötet. Mehrere Gebäude wurden zerstört. Palästinensische Journalisten und Influencer berichten von Explosionen im gesamten Gazastreifen.
Dass Israel mit voller Wucht zuschlägt, kommt wenig überraschend. Bereits vor Ende der Waffenpause erklärten sowohl die Armee als auch die Regierung, dass Israel nach der Freilassung einiger Geiseln erneut angreifen wolle. Oppositionspolitiker Benny Gantz (64) warnte am Dienstag: «Wir bereiten uns auf die nächsten Phasen des Krieges und auf die Ausweitung des Manövers auf den ganzen Gazastreifen vor.»
Neue Evakuierungskarte veröffentlicht
Dass inzwischen der gesamte Gazastreifen Teil der Offensive ist, zeigt eine interaktive Karte, veröffentlicht von den israelischen Verteidigungskräften (IDF). Auf dieser wurde der komplette Küstenstreifen in Hunderte nummerierte «Evakuierungszonen» unterteilt. Laut der IDF entsprechen die Blöcke «anerkannten Stadtteilen». Die Bewohner Gazas sollen sich informieren, unter welche Nummer ihr Wohngebiet fällt, um «bestimmte Orte zu evakuieren, wenn dies aus Sicherheitsgründen erforderlich ist». Wann und wo evakuiert werden muss, will die IDF künftig über «verschiedene Medien» mitteilen. Seit Freitagabend ist die Karte aktiv. Verschiedene Farben zeigen die unterschiedlichen Gefahrenstufen für die einzelnen Zonen an.
Laut der IDF soll die Karte dazu dienen, «alle möglichen Vorkehrungen» zu treffen, um «den Verlust von Leben oder Verletzungen unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden». Die Karte wurde auf einer arabischen Website der IDF veröffentlicht. Ebenso sollen Flugblätter der Karte über dem Küstengebiet abgeworfen worden sein.
Mehr zum Nahost-Krieg
Intensiver Beschuss im Süden
Die Armee verteilte zudem Flugblätter zur Evakuierung mehrerer Gebiete nahe der südlich gelegenen Stadt Khan Yunis. Darauf steht: «An die Bewohner von Al-Qarara, Khuza’a, Abasan und Bani Suhaila. Sie müssen sofort evakuiert werden und sich in die Notunterkünfte in der Stadt Rafah begeben. Die Stadt Khan Yunis ist ein gefährliches Kampfgebiet.»
Wie der Sender Al Jazeera berichtet, sollen im Gebiet rund um Khan Yunis seit Freitagmorgen mehrere Menschen ums Leben gekommen sein. Im Bezirk Hamad soll demnach ein Wohngebäude durch einen israelischen Luftangriff getroffen worden sein. Ein von der BBC verifiziertes Video zeigt, wie mehrere Zivilisten davon laufen. Auch in Rafah, nahe der ägyptischen Grenze, sollen Medienberichten zufolge israelische Bomben in ein Wohnhaus eingeschlagen sein. Bilder zeigen eine grosse Rauchwolke.
Militär auch im Norden aktiv
Die Offensive schreitet auch im Norden Gazas voran. Im Dchabalia Flüchtlingslager soll laut Angaben der Hamas ein Wohnhaus zerstört worden sein, woraufhin ein «Grossfeuer» ausbrach. Eine Bestätigung Israels steht noch aus. In Dschabalia fanden allerdings bereits vor der Feuerpause zahlreiche Militäroperationen statt, da die IDF dort Hamas-Einrichtungen vermutet.
Weitergehend sollen in den nördlichen Stadtteilen Shujayea, Zeitoun und Beit Lahiya Dutzende Menschen ums Leben gekommen sein, berichtet Al Jazeera. Obendrein zeigen Bilder aus dem Nuseirat Flüchtlingslager in Zentralgaza einen Trümmerhaufen. Bei einem israelischen Angriff soll dort am Freitag ein Brunnen beschädigt worden sein.
Spitäler überfordert
Neben den Getöteten gibt es laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza auch eine Vielzahl an Verletzen. Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Aschraf al-Qudra, erklärt, dass Ärzte aktuell mit der «grossen Zahl» von Verwundeten zu kämpfen haben. Da aufgrund der vorherigen Bombardierungen nur wenige Spitäler funktionsfähig sind, seien die Einrichtungen, die noch operieren, gänzlich überfordert. «Aufgrund des Ansturms an Patienten liegen die Verwundeten in Notaufnahmen und vor Operationssälen auf dem Boden», so al-Qudra.