Bewaffnete Männer warten vor Wahllokal in Arizona
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Vor den Midterms:Bewaffnete Männer warten vor Wahllokal in Arizona

Sicherheitsmassnahmen nötig
Bewaffnete Extremisten schüchtern Wähler ein

Die amerikanischen Wahlbüros bereiten sich auf heisse Midterms vor. Wegen Drohungen haben sie an verschiedenen Orten aufgerüstet, viele Wahlhelfer sind aus Angst zurückgetreten. Der Schweizer Auswanderer und Präsidenten-Wähler Vinz Koller (59) ist besorgt.
Publiziert: 03.11.2022 um 21:00 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2022 um 21:06 Uhr
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Extremistische Gruppierungen wie die Proud Boys wollen ihre Aktivitäten in die Regionen verlegen.
Foto: keystone-sda.ch
Guido Felder

Die Midterms vom 8. November sind keine gewöhnlichen Zwischenwahlen. Es wird ein Vorentscheid sein, ob die Amerikaner wieder zur trumpschen Politik zurückkehren und die Ukrainer weiterhin mit Milliardenpakten unterstützen wollen. Marco Steenbergen (59), Amerika-Experte und Politpsychologe an der Uni Zürich, sagte zu Blick: «Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Zwischenwahlen in der jüngeren politischen Geschichte so entscheidend waren.»

Es wird ein knappes Resultat. Die Demokraten dürften laut Umfragen und Experten ihren hauchdünnen Vorsprung im Senat halten können. Im Repräsentantenhaus besteht für die Republikaner allerdings eine gute Chance, den Demokraten die Mehrheit wegzuschnappen.

Entsprechend scharf ist der Ton. Es wird sogar mit massiver Gewalt gerechnet. «Es ist Zeit für einen tödlichen Kampf», heisst es etwa vonseiten der rechtsextremen Proud Boys, die Donald Trump (76) unterstützen und an der Stürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 massgeblich beteiligt waren.

Extremisten drohen Wählern

Mary McCord, Geschäftsführerin des Institute for Constitutional Advocacy and Protection und ehemalige Staatsanwältin im Justizministerium, warnte an der US-Bürgermeisterkonferenz Anfang Woche von der Bedrohung. Sie berichtete laut dem Nachrichtenportal Bloomberg, wie sich extremistische Organisationen wie die Proud Boys und die Three Percenters nach dem Sturm des Kapitols nun auf lokale Ziele fokussierten.

Mit Beginn der vorzeitigen Stimmabgabe seien die Wahlbüros zu Orten der Überwachung und Einschüchterung geworden. Die Taktik der Extremisten: Sie unterwandern die Wahlbüros, indem sie sich als Wahlhelfer meldeten oder postieren sich bedrohlich vor den Wahlbüros.

Wahlhelfer und Wähler in Arizona meldeten, dass bewaffnete Männer in Tarnkleidung sie bei der Stimmabgabe gefilmt hätten. «Dieses Verhalten ist sehr besorgniserregend und Teil einer Strategie, die sich nicht nur auf Arizona beschränkt», sagte McCord. «Sie werden sagen, dass sie Beweise für Wahlbetrug sammeln.»

Helfer schmeissen hin

Wegen Bedrohung, Belästigungen und Einschüchterungen haben in Pennsylvania seit den letzten Wahlen vor zwei Jahren in 50 von 67 Bezirken Wahlleiter den Bettel hingeschmissen. Ein demokratischer Kandidat ist im Osten Washingtons mit einem Softair-Gewehr beschossen worden, als er Plakate aufstellte.

Vor dem Wahltag sollten lokale Beamte laut McCord die Schutzmassnahmen rund um die Wahllokale verstärken und Unklarheiten darüber beseitigen, welche Gesetze sie wo durchsetzen können. In jedem Bundesstaat gebe es verschiedene Pufferzonen um die Wahllokale, in denen Einschüchterung, Wahlwerbung und koordinierte bewaffnete Aktivitäten verboten seien, so McCord.

Viele Sicherheitsmassnahmen

Um die Wahlhelfer und Wähler zu schützen, wurde an verschiedenen Orten aufgerüstet.

  • In einem Wahlbüro in Tallahassee im Bundesstaat Florida wurden die Wände mit Kevlar verstärkt, dem Material, das auch für kugelsichere Westen und Militärhelme verwendet wird.

  • In Florida gibt es Wahlbüros, in dem kugel- und bombensicheres Glas installiert worden sind.

  • Für Mitarbeiter von Wahlbüros in Florida gab es Schiesstrainings.

  • In vielen Wahllokalen werden Sicherheitskräfte stationiert.

  • An gewissen Orten muss man klingeln, um ins Wahlbüro eintreten zu können.

Aber auch ausserhalb der Zonen, in denen die politische Meinungsäusserung am Wahltag eingeschränkt ist, könnten Störungen rechtlich unterbunden werden, sagte McCord. Und sie betonte: «Die Einschüchterung von Wählern ist überall rechtswidrig.»

Schweizer Auswanderer ist besorgt

«Diese Bedrohung ist in gewissen Staaten real», bestätigt Vinz Koller (59), der 1986 von Schaffhausen nach Kalifornien ausgewandert ist und als demokratischer Vertreter des Electoral College schon drei Mal den US-Präsidenten mitwählen konnte, gegenüber Blick. «Die Behörden müssen sich schon Sorgen machen und vorsorgen. Leider sind sie da im Spannungsfeld zwischen dem Recht, offen Waffen – und zwar nicht nur Handfeuerwaffen – zu tragen, und dem Recht der Bürger, ohne Bedrohung an die Urne zu gelangen.»

Die Midterms würden die Demokratie erneut auf die Probe stellen, gerade deshalb, weil viele Kandidaten anträten, welche bei den letzten Wahlen Trump als Sieger sahen. Koller: «Diese Leute werden bei einer Niederlage wohl auch die Wahlergebnisse der Midterms nicht akzeptieren.»

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