Eigentlich mag er ja die Schweiz. «Die Berge sind toll. Es gibt ordentliche Weine und prima Käse», schreibt der deutsche Kolumnist Jan Fleischhauer (60) im Focus. Doch sein Text ist alles andere als ein Loblied auf die Schweiz. Das wird schnell klar. Schon in der Überschrift heisst es: «E bitzeli käuflich, e bitzeli feig: So ist sie, die Schweiz.» Denn laut Fleischhauer habe der Schweizer keine wirkliche Moral. Sie reiche «oft nur bis zum nächsten Geldautomaten».
Das zeige schon der aktuelle Konkurs der Credit Suisse (CS). Die zweitgrösste Bank der Schweiz wird seit zwei Jahren von Skandalen erschüttert. Unter anderem soll sie Geldwäsche ermöglicht und bei der Abwicklung von Geschäften Krimineller und umstrittener oder korrupter Politiker und Beamter geholfen haben. Es folgten massive Verluste, schwindendes Vertrauen von Kunden und Anlegern und schliesslich Finanzierungsprobleme.
«Es würde mich nicht wundern, wenn die neuen Besitzer bei einer Besichtigung des Tresorraums auf Schliessfächer stiessen, auf denen sich noch die Namen von Albert Speer oder Idi Amin finden», schreibt Fleischhauer über die CS. Alber Speer (1905-1981) war eine prägende Figur im Dritten Reich unter Adolf Hitler (1889-1945). Idi Amin (1923-2003) war ein blutrünstiger Diktator, der in Uganda herrschte. Dementsprechend unrühmlich sei auch die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs gewesen. «Die Hunderttausende, die man angeblich vor der Verfolgung gerettet hat, waren bei Licht besehen nur mehrere Tausend. Lieber als jüdische Flüchtlinge waren einem ohnehin jüdische Vermögen», schreibt der Deutsche in seiner Kolumne.
«Immer unterwegs mit erhobener Nase»
Die CS sei nur ein Symptom für das Problem der Schweiz: die heilige Neutralität. Das habe schon das Verhalten gegenüber der Ukraine gezeigt. Während der Westen das Land im Kampf gegen Russland mit Waffen, Munition und Ausrüstung unterstützt, habe die Schweiz sogar verhindert, dass Deutschland Panzermunition, die unser Nachbar bei uns gekauft hatte, in die Ukraine schicken darf. Doch selbst diese Mini-Hilfe sei unterbunden worden. Und so kommt der Kolumnist zu seinem Fazit über den Schweizer, wenn er schreibt: «Ein bisschen käuflich, ein bisschen feig, aber dafür immer unterwegs mit erhobener Nase.»
Immerhin würde die Schweiz die Sanktionen gegen Russland mittragen. Aber nur so weit, wie nötig. Dass es trotzdem Ausnahmen gibt, zeige Putins Geliebte Alina Kabajewa, die angeblich bis letztes Jahr am Genfersee gewohnt haben soll. Beweise dafür gibt es keine, nur Gerüchte. Am Ende resümiert Fleischhauer: «Sollte der Russe morgen, wie angekündigt, Ostdeutschland übernehmen, dann stellt man in den Geschäftsbeziehungen eben auf Rubel um.» Wie ein Fähnchen im Wind eben. Opportunistisch.
So spitz der Text von Fleischhauer geschrieben ist, so heiss wird auch in den Kommentaren diskutiert. Einige loben den Artikel. Es gibt aber jede Menge Gegenwind. «Würde mich auch belasten, in Deutschland zu leben mit der Schweiz als Nachbar», lautet ein Kommentar. Ein anderer schreibt: «Ich wollte wir hätten e bitzeli von der Schweiz.» Der nächste Kommentar versucht, die Gemüter zu beruhigen: «Liebe Nachbarn. Keine Angst. Wir wissen, dass euch Fleischhauer grossmehrheitlich nicht repräsentiert.»