Durchbruch in Saudi-Arabien – Trump liefert wieder Waffen
Jetzt hängt alles von Putin ab

Die USA und die Ukraine wagen in Saudi-Arabien den überraschenden Schulterschluss. Die Abmachung könnte die Wende im Ukraine-Krieg bringen. Jetzt sind alle Augen auf Moskau gerichtet.
Publiziert: 11.03.2025 um 21:18 Uhr
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Aktualisiert: 07:48 Uhr
Das sind die Verhandler von Dschidda: US-Sicherheitsberater Michael Waltz, US-Aussenminister Marco Rubio, Selenskis rechte Hand Andrij Jermak, der ukrainische Aussenminister Andrij Sybiha und der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow.
Foto: Telegram Ukraine_MFA

Darum gehts

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

So verloren wie jetzt stand Wladimir Putin (72) noch nie da, seit er die Ukraine vor drei Jahren grundlos überfallen hat. Moskau hat eine Horrornacht mit hunderten ukrainischen Drohnenangriffen hinter sich. Und ausgerechnet in diesem Moment der Schwäche, in dem sich viele Russen fragen, wie das nur passieren konnte, reichen sich die Ukrainer und die Amerikaner nach zwei zerstrittenen Wochen in Saudi-Arabien wieder die Hand.

Das Team Kiew-Washington steht wieder. Die USA nehmen per sofort die Waffenlieferungen an die Ukraine wieder auf und teilen ihre Geheimdienstinfos mit Wolodimir Selenski (47) und seiner Armee. Zudem haben sie einen gemeinsamen Vorschlag ausgearbeitet, der Putin massiv in die Enge treibt. Das bedeutet die Überraschungs-Einigung.

Auf Initiative der USA (in Saudi-Arabien vertreten durch Aussenminister Marco Rubio (53) und Sicherheitsberater Michael Waltz (51)) schlagen Kiew und Washington den Russen einen sofort beginnenden 30-tägigen Waffenstillstand vor. Nicht nur in der Luft und auf See, wie das Selenski in den vergangenen Tagen gefordert hatte, sondern gleich entlang der gesamten 1500-Kilometer-Kriegsfront.

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Das sind die Verhandler von Dschidda: US-Sicherheitsberater Michael Waltz, US-Aussenminister Marco Rubio, Selenskis rechte Hand Andrij Jermak, der ukrainische Aussenminister Andrij Sybiha und der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow.
Foto: Telegram Ukraine_MFA

Auch Kinder und Kriegsgefangene waren Thema

«Jetzt ist Putin am Zug», liess Aussenminister Rubio nach dem Treffen in Dschidda verlauten. Selenski und seine rechte Hand Andrij Jermak (53), der die Gespräche mit Rubio auf ukrainischer Seite leitete, zeigten sich überschwänglich dankbar (wohl eine Lehre aus dem «Ihr seid undankbare Lümmel»-Vorwurf, den Donald Trump (78) Selenski noch vor zwei Wochen gemacht hatte) und positiv über den amerikanischen Vorschlag.

Die Ergebnisse des erneuten Zusammentreffens sind nicht zu unterschätzen. Die USA bleiben trotz all der säbelrasselnden Rhethorik aus Europas Hauptstädten der mit Abstand wichtigste militärische Unterstützer der Ukraine. Insbesondere auf die Munition für die Raketenabwehrsysteme des Typs Patriot, mit der die Ukraine ihre Grossstädte und wichtige Infrastruktur schützt, ist Kiew dringend angewiesen. Niemand ausser den USA ist imstande, dem kriegsversehrten Land die lebensrettenden Geschosse zu schicken.

Verständigt haben sich Kiew und Washington unter den wachsamen Augen der saudischen Gastgeber (die Schweizer Bürgenstock-Diplomaten dürften vor Neid erblassen ob all der Aufmerksamkeit, die das neutrale Saudi-Arabien als Verhandlungsplattform derzeit erfährt) auch auf die Notwendigkeit, ukrainische Kriegsgefangene zurückzubringen. Zudem soll Moskau die schätzungsweise 20'000 ukrainischen Kinder, die russische Belagerer im Laufe der vergangenen drei Jahre nach Russland entführt haben, zurückbringen. Und: Man will an einem Abkommen über die gemeinsame Nutzung der ukrainischen Bodenschätze feilen.

In der Ukraine herrschen Zweifel

Alles in allem ein grosser Verhandlungserfolg für die Ukraine. Jermak, den viele in Kiew als den wirklich starken Mann hinter den Kulissen erachten, hat geschickt agiert. Dafür erhält er bereits von diversen westlichen Beobachtern Anerkennung.

Allerdings ist trotz der Euphorie über die Wiederaufnahme der Waffenlieferungen und all der anderen angenehmen Nebeneffekte Vorsicht geboten. «Der Waffenstillstand wird niemals eintreten, glaub mir», sagt der ukrainische Kriegsjournalist Yevhen Semekhin (38) zu Blick. Russland sei nicht zu trauen. «Ein Waffenstillstand gäbe den Russen die Möglichkeit, ihre Truppen zu verschieben», warnt der Reichweiten-starke X-Account «WarMonitor».

Unklar bleibt auch, ob der fahrige Trump beim aktuellen Vorschlag bleibt oder ob er aus einer Laune heraus morgen wieder alles anders sieht. Die jüngste Eskalation im Handelsstreit mit Nachbar Kanada zeigte am Dienstag einmal mehr, wie unberechenbar der mächtigste Mann der Welt ist und bleibt. Erst drohte er mit einer Verdoppelung der Zölle auf 50 Prozent, wenige Stunden später zog er seine Drohung aber schon wieder zurück.

Putins unrealistische Forderungen

Damit es zum ersten Waffenstillstand im nunmehr dreijährigen Konflikt kommt, müsste auch Putin noch seinen Segen geben. Das bleibt fraglich. Nach der Drohnenhorrornacht in Moskau muss er vor dem eigenen Volk Stärke zeigen. Zudem hat er es in drei Jahren nicht einmal geschafft, die vier laut der russischen Verfassung zu Russland gehörenden ukrainischen Regionen Donetsk, Luhansk, Saporisschschja und Kherson einzunehmen. Keiner dieser vier Oblaste (so heissen die ukrainischen Kantone) ist unter voller Kontrolle der Russen. Putins Minimalziel ist verfehlt.

Damit der Waffenstillstand Wirkung zeigt und sich – wie vorgesehen – nach 30 Tagen automatisch verlängern würde, braucht es auch ein klares Bekenntnis von Europa. Ein erstes Aufmucken der Alten Welt haben wir vergangene Woche miterlebt, als in Brüssel neue Verteidigungsgelder mit indirekt fast 800 Milliarden Euro gesprochen wurden.

Ist das jetzt also die Mega-Wende, auf die die Ukraine so lange gehofft hat? Kiew zeigt den Willen zur Kooperation. Die USA spielen mit. Jetzt sind alle Augen auf Moskau gerichtet.

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