Die Revolutionsgarde kontrolliert Politik, Wirtschaft und Armee – doch jetzt wehrt sich das Volk
So ticken die Kidnapper des Irans

Die Revolutionsgarde verbreitet mit Gewalt die Doktrin der iranischen Revolution. Nach ihrem irrtümlichen Abschuss einer ukrainischen Maschine mit 176 Toten wächst der Widerstand gegen sie. BLICK erklärt die Bedeutung und den Aufbau der brutalen Religionsarmee.
Publiziert: 13.01.2020 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 16.03.2020 um 15:20 Uhr
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Verbreitet die islamische Lehre des Iran: die Revolutionsgarde bei einer Parade.
Foto: AFP
Guido Felder

Das iranische Volk hat genug. Nachdem die Revolutionsgarde irrtümlich einen ukrainischen Passagierjet abgeschossen und das fatale Missgeschick einige Tage verschwiegen hatte, wächst der öffentliche Widerstand. Im Zentrum der Kritik steht das fanatische Regime mit seiner brutalen Religionsarmee.

BLICK erklärt das System der mächtigen Revolutionsgarde, die schon Zehntausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat und welche die USA vor einem Jahr zur Terrororganisation erklärt haben.

Die Funktion

Der Iran hat zwei Streitkräfte: die reguläre Armee sowie die Armee der Wächter der Islamischen Revolution, kurz Revolutionsgarde oder auf Persisch Pasdaran. Wie der Name sagt, sorgt diese mit knallharter Hand dafür, dass die Doktrin der Islamischen Revolution von 1979 aufrechterhalten und auch im Ausland verbreitet wird. Sie ist direkt dem Staatsoberhaupt und Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei (80) unterstellt. Die reguläre Armee ist für die Verteidigung des Staats zuständig.

Die Wirtschaftsmacht

Im Iran gibt es praktisch nichts, wo die Garde nicht ihre Finger im Spiel hat. Als paramilitärische Einrichtung ist sie die grösste Unternehmerin des Landes. Sie kontrolliert Ölanlagen, die Teheraner Metro, Banken, Telekommunikation, Spitäler, See- und Flughäfen. Auch den Zugang zum Persischen Golf an der Strasse von Hormus wird von der Garde überwacht. Ihre Angehörigen zahlen keine Steuern.

Die Gründung

Sie war eine Idee von Revolutionsführer Ruhollah Chomeini (1902–1989). Nachdem er 1979 mit der Islamischen Revolution die westlich orientierte Schah-Regentschaft beendet und die Funktion des Staatsoberhaupts übernommen hatte, fasste er eine Vielzahl paramilitärischer Gruppen zu einer Streitmacht zusammen. Ihre blutige Premiere erlebte sie im Ersten Golfkrieg (1980–1988).

Der Aufbau

Die Truppe ist heute etwa 125'000 Mann stark und in Heer, Luftwaffe und Marine unterteilt. Zudem gibt es mehrere Untergruppen: die Al-Quds-Brigaden, die vor allem im Ausland aktiv sind und deren General Qassem Soleimani (†62) Donald Trump am 3. Januar töten liess, die Ashura-Einheiten, die für die Niederschlagung von Aufständen im Inland zuständig sind, und die der Garde angegliederte Freiwilligenmiliz Basidsch-e Mostazafin, die schon Zehntausende Jugendliche als Selbstmordattentäter und Minenräumer in den Tod schickte.

Die Waffen

Bei Anschlägen auf Erdölraffinerien und Tanker in der Golfregion hat sich gezeigt, dass der Iran über präzise Waffen verfügt. Dazu gehören unter anderem Drohnen, aber auch Kurzstreckenraketen und Marschflugkörper, welche die ganze Arabische Halbinsel inklusive Israel erreichen können. Die Luftwaffe der Garde besteht aus teilweise erbeuteten irakischen Jets, aber auch aus Pilatus PC-7 für Ausbildungszwecke. Von der gefürchteten Atombombe ist der Iran noch weit entfernt.

Der Libanon

Um die Revolution zu exportieren, haben die Garden 1982 rund 2000 Kämpfer im Libanon stationiert, die im Bürgerkrieg die schiitischen Milizen unterstützten. Unter dem Namen Hisbollah oder Islamische Dschihad-Organisation führte sie Operationen gegen die israelische Armee sowie die christlichen Phalange-Milizen. Die Hisbollah soll im Libanon inzwischen über rund 130'000 Raketen verfügen, die gegen Israel gerichtet sind.

Die Stellung

Obwohl kleiner als die 350'000 Mann starke Armee, ist die Revolutionsgarde die tonangebende Macht. Sehr zum Leidwesen von Präsident Hassan Rohani (71), der als moderat gilt und die Garde dazu gedrängt hatte, ihren irrtümlichen Abschuss der ukrainischen Maschine zu gestehen. Diese Tragödie hat dazu geführt, dass der Machtkampf zwischen den Revolutionsgarden und der gemässigten Regierung offen ausgebrochen ist und auf das iranische Volk übergreift.

Der Iran-Konflikt im Ticker

Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA spitzt sich immer weiter zu. Im Newsticker halten wir Sie über die Vorkommnisse auf dem Laufenden.

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