Der syrische Aktivist Mazen al-Hamada (†)
Vom Freiheitskämpfer zum Märtyrer der Revolution

Das Schicksal von Mazen al-Hamada ist die verkörperte und tragische Geschichte eines Landes, das ab 2011 ins Grauen stürzte. Immer wieder wurde der syrische Aktivist vom Regime verhaftet und gefoltert. Sein Wille, für Freiheit zu kämpfen, wurde trotzdem nie gebrochen.
Publiziert: 16.12.2024 um 13:16 Uhr
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Die Leiche des syrischen Aktivisten Mazen al-Hamada wurde am 9. Dezember gefunden.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Syrischer Aktivist Mazen al-Hamada: Verhaftung, Folter und Tod unter Assad-Regime
  • Hamada kehrte trotz Asyl in den Niederlanden nach Syrien zurück
  • Über eineinhalb Jahre in Haft, starb drei Tage vor Sturz der Diktatur
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Daniel MacherRedaktor News

«Wir tranken Tee und scherzten, als plötzlich Sicherheitskräfte über uns herfielen. Sie zogen uns die Hemden über den Kopf und warfen uns in den Kofferraum ihrer Autos.» So schildert der syrische Aktivist Mazen al-Hamada seine Verhaftung. Er und seine Neffen landeten am Militärflughafen Mezzeh in Damaskus – gefesselt, kniend, mit verbundenen Augen.

Hamada hatte versucht, Babynahrung in einen Vorort von Damaskus zu schmuggeln. Regelmässig nahm er an Demonstrationen für Freiheit und Demokratie teil. Er dokumentierte die brutale Gewalt des Regimes mit einer einfachen Toshiba-Kamera, wie er in einem Interview erzählt. Eigentlich hat er einen gut bezahlten Job beim Kohlenwasserstoff-Multi Schlumberger.

«Ich spürte, wie alle meine Rippen brachen»

Das berichtete er auch Assads Männern, als sie ihn nach seiner Verhaftung im März 2012 verhörten. Sie fragten ihn nach Waffen. Keine, nur seine kleine Toshiba, antwortete Hamada. Er hasse Waffen. Doch das wollten seine Peiniger nicht hören.

Um ein Geständnis zu erzwingen, folterten sie ihn brutal. «Sie legten mich auf den Boden, einer sprang auf mich, und ich spürte, wie alle meine Rippen brachen.» Sie hängten ihn 40 Zentimeter über dem Boden auf, mit Handschellen gefesselt, die ihm die Handgelenke aufschlitzten. Er wurde mit weissglühenden Metallstangen oder Zigaretten verbrannt, bekam Elektroschocks. Die Schilderungen sind schwer zu ertragen.

Um die Tortur zu beenden, gestand Hamada, bei Demonstrationen eine Waffe getragen zu haben, ein Terrorist zu sein. Doch Verbrechen wollte er nicht zugeben. Nach sexuellem Missbrauch seitens seiner Peiniger unterschrieb er alles.

Asyl in den Niederlanden

Über eineinhalb Jahre sass Hamada in Haft. In Assads Gefängnissen erlitt er körperlichen, geistigen und sexuellen Missbrauch. Die Folgen: körperliche und psychische Verletzungen, darunter Genitalverletzungen, die ihn unfruchtbar machten. Im Juni 2013 übergab man ihn der Militärpolizei, nachdem ihn ein inhaftierter Arzt behandelt hatte. Ein Anti-Terror-Gericht ordnete im September seine Freilassung an.

Hamada beantragte Asyl in den Niederlanden und verliess Syrien, da ihn die Geheimdienste weiter verfolgten. In dieser Zeit gab er mehrere Interviews über das brutale Unrechtsregime unter Assad, darunter auch das, auf das sich dieser Artikel bezieht.

Ein Begräbnis wie ein Siegeszug

Im Februar 2020 kehrte Hamada trotz allem nach Syrien zurück. Gegen den Rat seiner Familie. Er wollte inhaftierten Syrern helfen, heisst es. Auch Leute aus der syrischen Botschaft, die Assad nahestanden, sollen Grund für seine Rückkehr gewesen sein. Sie versprachen, Gefangene zu befreien.

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Bei seiner Ankunft in Damaskus verhaftete ihn Assads Sicherheitsdienst. Am 9. Dezember fand man seine Leiche im berüchtigten Saydnaya-Gefängnis, nachdem das Assad-Regime von islamistischen Rebellen gestürzt worden war. Er starb wenige Tage vor dem Fall der Diktatur. Sein Körper wies zahlreiche Folterspuren auf.

Die Bilder von Hamadas Begräbnis drei Tage später gleichen einem Siegeszug. Der Trauermarsch, bei dem Menschen Bilder von Hamada hochhielten, erinnert an den Arabischen Frühling. Das brutale Regime des einstigen Diktators Bashar al-Assad, gegen das Hamada bis zu seinem Tod kämpfte, ist nach 24 Jahren des Leids Geschichte.

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