Die Wahlen in der Elfenbeinküste wären in der Schweiz von geringem Interesse, wenn nicht einer der Hauptdarsteller am Zürcher Bankenplatz für Aufsehen gesorgt hätte. Aussichtsreicher Kandidat auf das Amt des Staatspräsidenten ist nämlich Tidjane Thiam (61), der ehemalige CEO der pleitegegangenen Credit Suisse. Seine Gegner führen denn auch ins Feld, dass Thiam mit seiner zweifelhaften Karriere in der Schweiz kein guter Staatspräsident sein könne.
Die Wahlen finden 2025 statt, vermutlich im Herbst. Thiam bringt sich schon jetzt in Stellung: Kurz vor Weihnachten haben die 6000 Delegierten der rechtsliberalen Demokratischen Partei (PDCI), der wichtigsten Oppositionspartei der Elfenbeinküste, Thiam zu ihrem Präsidenten gewählt.
Wir erörtern, was man über das Land wissen muss und wie gross Thiams Siegeschancen sind.
Das gespaltene Land
Die präsidentielle Republik Elfenbeinküste, Côte d’Ivoire auf Französisch, ist ein zerrissenes Land mit einer bewegten Geschichte. Nach der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 folgte unter Präsident Félix Houphouët-Boigny (1905–1993) ein wirtschaftlicher Aufschwung mit politisch stabiler Lage, auch Ivorisches Wirtschaftswunder genannt. Houphouët-Boigny gehörte der rechtsliberalen Demokratischen Partei (PDCI) an.
• Fläche: 322'463 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 29,4 Millionen (Schweiz: 8,9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 2473 Dollar (Schweiz: 91'991 Dollar)
• Sprachen: Französisch (Amtssprache) und 77 weitere
• Unabhängigkeit: 7. August 1960 (von Frankreich)
• Währung: CFA-Franc
* Bruttoinlandprodukt nominal
• Fläche: 322'463 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 29,4 Millionen (Schweiz: 8,9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 2473 Dollar (Schweiz: 91'991 Dollar)
• Sprachen: Französisch (Amtssprache) und 77 weitere
• Unabhängigkeit: 7. August 1960 (von Frankreich)
• Währung: CFA-Franc
* Bruttoinlandprodukt nominal
Wenige Jahre nach dem Tod des Präsidenten stürzte das Land in eine Wirtschaftskrise. 1999 kam es zu einem Militärputsch und anschliessend zu einem Bürgerkrieg gegen den Norden des Landes, wo viele Einwanderer leben. Von 2000 bis 2010 regierte Laurent Gbagbo (78) von der Afrikanischen Volkspartei das Land.
Nach dem Friedensabkommen von 2007 kam 2010 der aus dem Norden stammende Alassane Ouattara (81) vom liberalen Rassemblement des Républicains an die Macht. Er ist immer noch Staatspräsident, obwohl er laut seinen Gegnern wegen Amtszeitbeschränkung 2020 gar nicht mehr zu den Wahlen hätte antreten dürfen.
Im Land herrschen nach wie vor Korruption und Machtkämpfe. Die Ressentiments gegenüber Franzosen sind gross, im Norden droht Gefahr von ins Land eindringenden Islamisten. Sebastian van Baalen, Elfenbeinküste-Experte an der schwedischen Universität Uppsala, sagt zu Blick: «Die politische Lage ist zwar, wie immer zwischen den Wahlen, zurzeit recht stabil. Diese Stabilität kann aber trügerisch sein, da es in Wahlkampfzeiten erfahrungsgemäss zu politischen Unruhen und Gewalt kommen kann.»
Der «Schweizer» Kandidat
Bei den Wahlen 2025 wird höchstwahrscheinlich Tidjane Thiam Kandidat der Opposition sein. Er wurde 2015 CEO der inzwischen pleitegegangenen Credit Suisse. Negativ in die Schlagzeilen geriet er, als bekannt wurde, dass die Bank Iqbal Khan (47), ihren früheren Chef der Vermögensverwaltung, von Privatdetektiven beschatten liess. Die Affäre war der Grund, dass Thiam 2020 zurücktrat. Thiam, der bei der CS insgesamt rund 90 Millionen Franken verdient hatte, wird auch für den Untergang der Bank mitverantwortlich gemacht.
Thiam hat in seiner Heimat bereits Regierungserfahrung. Nachdem er vier Jahre lang das Nationale Büro für technische Studien und Entwicklung geleitet hatte, war er 1998/99 Minister für Planung und Entwicklung. Während des Putsches an Weihnachten 1999 weilte er in den Ferien. Bei seiner Rückkehr wurde Thiam kurz unter Hausarrest gestellt. Nach seiner Entlassung floh er aus dem Land nach Frankreich und bekleidete da hohe Positionen bei Versicherungsgesellschaften.
Die Wahlchancen
Es dürfte für Thiam zwar schwierig werden, den amtierenden Präsidenten Ouattara zu verdrängen. Denn abgesehen von seiner Popularität habe dieser ein Regime errichtet, das die wichtigsten Wahleinrichtungen in unzulässiger Weise kontrolliere, sagt Sebastian van Baalen. «Doch ein Sieg ist nicht unmöglich.»
Vereinfacht gesagt, gibt es im Land drei wichtige Wahlkreise: Norden, Osten und Südwesten. Um eine Mehrheit zu gewinnen, braucht ein Kandidat die Unterstützung von mindestens zwei dieser Kreise. Thiam müsse zwei Dinge schaffen, sagt van Baalen: «Erstens die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo überzeugen, in die Politik zurückzukehren und zu wählen, und zweitens die Opposition dazu bringen, ihn als Hauptkandidaten zu unterstützen.»
Seine Gegner werfen Doppelbürger Thiam vor, dass er von Paris unterstützt werde. Auch bringen sie seine Karriere bei der Credit Suisse ins Spiel. Sie kritisieren seine laxe Aufsicht während seiner fünfjährigen Amtszeit, die schliesslich zum Zusammenbruch der 167 Jahre alten Bank führte. Um die Kritiker zu beschwichtigen, hat er seine Bereitschaft erklärt, seine französische Staatsbürgerschaft abzugeben.
Das Potenzial
Mit ihrem Aufschwung seit 2010 gehört die Elfenbeinküste zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit. Der Africa Business Guide (GTAI) spricht von einem vergleichsweise «stabilen Umfeld». Das Land hat im frankofonen Afrika die Führungsrolle und gilt neben Nigeria und Senegal als regionale Macht.
Nach wie vor wichtigstes Exportgut ist Kakao. Inzwischen haben der Export von andern Rohstoffen, insbesondere Gold und Diamanten, sowie die Förderung von Erdöl deutlich zugenommen. In der Landwirtschaft wird die Produktion von Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Baumwolle und Cashewnüssen immer wichtiger, was auch den Maschinenbau ankurbelt. Das Land setzt neuerdings zudem auf nachhaltigen Tourismus.
Van Baalen glaubt, dass sich Thiam bei einem Wahlsieg wohl wie der amtierende Präsident auf das weitere Wirtschaftswachstum konzentrieren würde: «Unter einem Präsidenten Thiam würde sich das Land nicht gross verändern.» Allerdings würde Thiam wohl den Geldfluss für staatliche Investitionen von Ouattaras Unterstützerbasis im Norden auf seine eigene Wählerschaft im Osten und im Zentrum umleiten.