«Das ist einfach Verrat»
Ukrainer befürchten wegen Trump das Schlimmste

Trumps Ankündigung, direkt mit Russland zu verhandeln, schockierte viele ukrainische Militärs. Sie befürchten, Land zu verlieren. Viele fordern jetzt rasche Entscheidungen aus Europa.
Publiziert: 20.02.2025 um 07:36 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2025 um 16:52 Uhr
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Ukrainische Kommandanten sind besorgt.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • USA-Ukraine-Politik beunruhigt Soldaten. Trump plant Verhandlungen mit Putin
  • Ukrainische Soldaten befürchten Verlust von Territorium und Unterstützung
  • Trump telefonierte 1,5 Stunden mit Putin und plant Treffen im Februar
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Die neue Stossrichtung der USA in der Ukraine-Politik sorgt in dem kriegsgebeutelten Land auch an der Front für grosse Beunruhigung.

Bataillonskommandant Artem befürchtet das Schlimmste, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagt: Es wäre «katastrophal», wenn die USA ihre Unterstützung für die Ukraine einstellten, sagt der 42-Jährige. Er ist in beissender Kälte in der Region Donezk im Osten des Landes im Einsatz, wo sich die Ukraine heftige Kämpfe mit den russischen Angreifern liefert. Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump (78), den Krieg in Verhandlungen mit dem Kreml zu beenden, löst bei den ohnehin erschöpften ukrainischen Soldaten grosse Sorge aus.

«Wir zahlen bereits einen hohen Preis und er wird noch höher sein. Ich weiss nicht einmal, wie er noch höher sein kann», sagt Artem von der 93. Brigade auf einem Truppenübungsplatz. «Ich habe schon viele Freunde verloren, ich möchte nicht noch mehr Kameradinnen und Kameraden verlieren.»

Treffen mit Putin wahrscheinlich noch im Februar

Trump hatte in der vergangenen Woche eineinhalb Stunden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) telefoniert – der erste direkte Kontakt zwischen dem Weissen Haus und dem Kreml seit dem Beginn der russischen Invasion, der sich am Montag zum dritten Mal jährt. Im Anschluss kündigte der US-Präsident den «unverzüglichen» Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine an. Am Dienstag trafen sich dann in Riad Delegationen der USA und Russlands. Trump kündigte an, er werde sich «wahrscheinlich» noch im Februar mit Putin treffen.

Trumps Vorgehen weckt Befürchtungen, die Ukraine und auch ihre europäischen Partner würden von den Gesprächen ausgeschlossen. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (44) nannte es zudem unrealistisch, dass die Ukraine die von Russland besetzten Gebiete zurückbekomme und langfristig Mitglied der Nato werde.

Bislang waren die USA der grösste Unterstützer der Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion. Weitere militärische Hilfe möchte Trump sich mit dem Zugang zu kostbaren Bodenschätzen der Ukraine bezahlen lassen.

«Wir sind nur einfache Leute, wir kämpfen bloss»

Soldat Oleksandr ist empört darüber, dass die Ukraine Russland Territorium abtreten soll. «Das ist unser Land. Wie können wir es jemandem geben, nur weil er es uns weggenommen hat?», sagt er. Ausserdem fürchtet er «Chaos», würde Kiew Gebiete aufgeben.

Sein Kamerad Sawa ist anderer Ansicht. Er vertraue Trump zwar nicht, sagt der ehemalige Gefangene, der sich fürs Kämpfen entschied, statt seine Strafe abzusitzen. Dennoch fände er es besser, wenn der Krieg ein Ende hätte – auch wenn dafür ukrainisches Territorium an Russland falle. «Sie sind Politiker. Wir sind nur einfache Leute. Was können wir tun? Wir kämpfen bloss», sagt der 41-Jährige.

Auch in der Hauptstadt Kiew reagieren die Menschen mit Sorge und Verunsicherung auf den Vorstoss aus Washington. Die Ukraine habe die Augen vor der Möglichkeit verschlossen, dass die Unterstützung der USA schwinden könnte, sagt Tymofij Mylowanow von der Hochschule Kyiv School of Economics. «Wir haben immer in dieser Realität gelebt. Aber wir wollten es nicht wahrhaben», sagt er.

«Wir brauchen schnelle Entscheidungen»

Andrij Kowalenko, ein für die Bekämpfung von Desinformation zuständiger Beamter, wirft den europäischen Verbündeten vor, nicht früher und entschlossener gehandelt zu haben, um die Sicherheit der Ukraine zu garantieren. «Es ist teuer, wir wollen nicht an den Krieg denken», beschreibt er die bisherige Haltung der Europäer. «Jetzt brauchen wir schnelle Entscheidungen aus Europa», fordert er in den sozialen Medien.

Daria Zariwna, eine Beraterin des Stabschefs der ukrainischen Präsidentschaft, räumt ein, dass Trumps Gespräch mit Putin ein neues Kapitel des Krieges aufschlagen könnte. «Wir haben einen schwierigen Prozess vor uns im Kampf für die Ukraine», sagt sie.

«Das ist einfach Verrat»

Im Zentrum von Kiew äussern von der Nachrichtenagentur AFP befragte Ukrainer die Hoffnung, dass Trump die Ukraine doch noch in die Verhandlungen einbeziehen werde. «Wie kann man ohne die Ukraine verhandeln? Das geht nur mit der Ukraine», sagt Mykola, ein 79-jähriger pensionierter Eisenbahner, der durch den Krieg aus der Ostukraine vertrieben wurde.

Für Galyna, eine 61-jährige Rentnerin, ist ganz klar, unter welchen Bedingungen die Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen bestehen kann: «Wenn die Ukraine Hilfe bekommt, wird sie ihre Grenzen zurückbekommen. Und wenn sie keine Hilfe bekommt, wird sie sie nicht zurückbekommen.» Die Studentin Sofia befürchtet, dass Trump wieder einmal schlechte Entscheidungen treffen werde. Und mit Putin zu sprechen sei «wahrscheinlich eine», sagt die 18-Jährige. «Mit einem Diktator und dem Anführer eines Landes zu verhandeln, das uns buchstäblich von innen heraus zerstört – das ist für uns einfach Verrat.»

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