Auf einen Blick
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine haben die USA und europäische Staaten darauf hingearbeitet, den Aggressor Russland zu isolieren. Das Treffen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad von gestern Dienstag stellt nun einen Wendepunkt dar.
Die Funkstille ist vorbei. Russland und die USA haben sich nicht nur darauf geeinigt, auf ein Ende des Kriegs in der Ukraine hinzuarbeiten. Sondern sie wollen auch gleich ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen wieder verbessern. Dabei geht es US-Präsident Donald Trump (78) nicht nur um die Ukraine, sondern er verfolgt auch ein anderes Ziel.
Drei Ziele vereinbart
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP sagte US-Aussenminister Marco Rubio (53), die beiden Seiten hätten sich in Riad auf drei Ziele geeinigt:
- Die Wiederbesetzung der Botschaften in Washington und Moskau.
- Die Bildung eines hochrangigen Teams zur Unterstützung der Friedensgespräche in der Ukraine.
- Die Erkundung engerer Beziehungen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit.
Insbesondere das dritte Ziel erstaunt. Das Treffen von gestern Dienstag war der intensivste Kontakt zwischen den beiden Ländern seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine.
Rubio betonte zwar, dass noch viel Arbeit zu leisten sei. Sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow (74) erklärte dafür bereits, dass «das Gespräch sehr nützlich war».
Eine dramatische Kehrtwende
Nach dem Angriff hatten die USA zusammen mit europäischen Staaten Sanktionen gegen Russland verhängt. Die Botschaften in Washington und Moskau waren nach der gegenseitigen Ausweisung vieler Diplomaten stark eingeschränkt geführt worden.
Rubio sagte gestern, dass die Beendigung des Kriegs in der Ukraine die Tür öffnen könnte für «unglaubliche Möglichkeiten», um mit den Russen in geopolitischen und wirtschaftlichen Fragen zusammenzuarbeiten.
Diese Äusserungen stellen eine dramatische Kehrtwende dar. Die «New York Times» schrieb, dass das Treffen die Beziehungen zwischen den USA und Russland «auf den Kopf» stelle.
Tatsächlich ist dieser Schritt unerwartet: Ein Regime wird zurück auf die internationale Bühne geholt, das einen Angriffskrieg führt und vor wenigen Tagen das Atomkraftwerk in Tschernobyl angegriffen hat. Der russische Rubel verzeichnete nach dem Treffen sofort einen starken Sprung und gewann stark an Wert gegenüber dem Dollar und dem Euro.
Ohne Ukraine, ohne EU-Staaten
Beim Treffen in Riad waren keine Vertreter aus der Ukraine oder EU-Staaten vertreten. Rubio sagte zwar, dass Europa auch eine Rolle spielen werde: «Die EU muss mit verhandeln, schliesslich hat auch sie Russland sanktioniert.»
Russland befindet sich in einer komfortablen Verhandlungsposition. Zugeständnisse machten die russischen Vertreter gestern offenbar nicht. Einzig einem künftigen EU-Beitritt der Ukraine stellen sie sich nicht entgegen. «Was den Beitritt der Ukraine zur EU betrifft, so ist dies das souveräne Recht jedes Landes», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (57) in Moskau. Damit wären die europäischen Staaten der Verteidigung der Ukraine verpflichtet – nicht aber die USA.
Verhandlungsposition geschwächt
Letzte Woche hatte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (44) in Brüssel verkündigt, dass sowohl eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine als auch eine Rückkehr zu den Grenzen von 2014 «unrealistisch» seien. Damit hatte Hegseth die Verhandlungsposition der USA und der Ukraine geschwächt.
Dass die USA bereits jetzt, wo in der Ukraine unvermindert gekämpft wird, mit Russland über eine Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen sprechen, scheint verfrüht.
Im Hintergrund spielen hier aber auch Überlegungen zum grössten strategischen Gegner der USA eine Rolle: China. Mit einer Umarmung Russlands könnte Trump versuchen, die Russen aus ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Peking zu lösen.
Russland von China trennen
Schon im Oktober hatte Trump in einem Interview mit Tucker Carlson (55) gesagt: «Das Einzige, was man nie will, ist, dass sich Russland und China vereinigen. Ich muss sie wieder ent-vereinen, und ich glaube, dass ich das kann.»
Mit einem Ende des Kriegs in der Ukraine könnte Russland seine Beziehungen zum Westen verbessern, schrieb kürzlich Doug Bandow (67), Aussenpolitik-Experte beim libertären Thinktank Cato Institute. Dies würde den Druck auf Russland verringern, sich mit China zu verbünden. Russland und China zusammendrängen sei «der grosse Fehler der USA», so Bandow.
Ob Trump dieses riskante Trennungs-Unterfangen allerdings gelingt – und welchen Preis die Ukraine dafür bezahlen muss –, ist derzeit jedoch noch kaum abzusehen.