In Israel wütet schon die zweite Welle
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«Geheilte» Länder betroffen:In Israel wütet schon die zweite Welle

Corona-Comeback macht auch Europa nervös
In Israel wütet schon die zweite Welle

Viele atmeten zu früh auf: In Ländern, die glaubten, das Virus besiegt zu haben, bricht Covid-19 in einer zweiten Welle aus. Die Gesundheitsbehörden sind alarmiert, die Spitäler in Europa bereiten sich wieder auf einen Ansturm vor.
Publiziert: 22.06.2020 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 14:46 Uhr
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Guido Felder

Bei den Gesundheitsbehörden weltweit schrillen die Alarmglocken: Beim Anstieg der Corona-Neuinfektionen werden Rekordwerte verzeichnet. Allein an einem Tag ist die Gesamtzahl der Neuinfizierten um 183'020 angestiegen. Betroffen sind vor allem die USA und Südamerika.

Inzwischen sind insgesamt über neun Millionen Menschen angesteckt – etwas mehr, als die Schweiz Einwohner zählt. Schon bald wird man eine halbe Million Tote beklagen müssen.

Diese Zahlen zeigen: Das Virus ist noch nicht besiegt. Noch lange nicht!

Besorgniserregend ist vor allem, dass auch Länder, die das Virus besiegt zu haben glaubten, wieder betroffen sind. Zum Beispiel Israel. Da steigen die Zahlen wieder an, nachdem das Land mit restriktiven Massnahmen das Virus praktisch ausgerottet hatte.

Im Mai hatten sich täglich teilweise nur noch drei Personen neu angesteckt – dies dank geschlossener Grenzen, Lockdown und einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (70) nannte den Kampf gegen Covid-19 bereits eine «grosse Erfolgsgeschichte».

In der vergangenen Woche verzeichnete Israel bis 300 neue Infektionen täglich. Vor allem Schulen sind seit dem Ende der Aufhebung des Lockdowns betroffen. Ein Lehrer soll als Superspreader an einem Jerusalemer Gymnasium über 100 Kollegen und Schüler infiziert haben.

Zu schnell vergessen

Was ist da schiefgelaufen? «Zuerst einmal haben wir vieles richtig gemacht», sagt Cyrille Cohen, Vizedekan der Fakultät für Biowissenschaften an der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv, im «Spiegel». «Wir haben den einzigen Flughafen geschlossen und die Menschen früh gebeten, zu Hause zu bleiben. Das hat alles gut geholfen.»

Doch durch die schnelle Öffnung fühlten sich die Menschen sicher. Cohen: «Sie hatten das Gefühl: Es ist vorbei. Sie vergassen, dass sie das Virus ja immer noch weitergeben könnten.»

Zweite Welle in Südkorea

Auch Südkorea, das keinen Lockdown einführte, wird durchgeschüttelt. Erstmals spricht man von einer zweiten Infektionswelle. Man sei mittendrin, sagte Jeong Eun Kyeong (55), Direktorin des Koreanischen Zentrums für Krankheitskontrolle und Vorsorge.

Das Zentrum bezeichnet das Feiertagswochenende von Anfang Mai als Beginn der neuen Welle. Die Infektionen treten vor allem im Grossraum Seoul auf. Die Hauptstadt hatte bisher nur wenige Infektionsfälle gemeldet.

GAU in deutscher Fleischfabrik

Deutschland sorgt vor allem mit heftigen lokalen Infektionsherden für Schlagzeilen. In Göttingen hatten sich über 120 Bewohner eines Wohnkomplexes angesteckt, als sie das Ende des Ramadans feierten. Aufsehenerregend ist aber ein Hotspot in Gütersloh: Beim Fleischverarbeiter Tönnies haben sich über 1330 Angestellte infiziert. Umgehend wurden Schulen in der Umgebung wieder geschlossen, bereits wird wieder von einem bundesweiten Lockdown gesprochen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (40) sagte: «Jetzt gilt es, jeden regionalen Ausbruch umgehend einzudämmen und die Infektionsketten zu unterbrechen.» Daher müssten die Tönnies-Angestellten die verordnete Quarantäne strikte einhalten. Spahn: «Nur mit entschlossenem Handeln vor Ort in Ostwestfalen kann ein Übergreifen auf ganz Deutschland verhindert werden.»

Mit genau einem solchen schnellen Handeln auf regionaler Ebene ist es China gelungen, das Virus bei einem neuen Ausbruch in Peking in Schach zu halten.

EU rüstet auf

In Europa bereiten sich die Spitäler auf eine zweite Welle vor. In Italien, dem europäischen Corona-Hotspot, ist man besonders sensibilisiert. Maurizio Cecconi, Präsident der Europäischen Gesellschaft für Intensivmedizin und Chef der Intensivstation an der Humanitas-Klinik in Mailand, sagt: «Wir brauchen eine Gesundheitsarmee.» Wenn es eine zweite Welle gebe, sollte man bereit sein, Ärzte und Krankenschwestern aus nahegelegenen Regionen Italiens einzusetzen. «Das ist bei der ersten Welle nicht ausreichend geschehen.»

In der Schweiz verzeichnet man zurzeit einen minimalen Anstieg der Neuinfektionen. Für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) steht fest: «Von einer zweiten Welle kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden.» Dennoch bereitet es sich auf eine zweite Welle vor. «Es wäre jetzt an den Kantonen, Massnahmen zu ergreifen, um beispielsweise lokale Ausbrüche einzudämmen», hält das BAG auf Anfrage von BLICK fest.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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