Kommt ins Tessin, wenn ihr uns liebt!
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Tessin hofft auf Touristen:Kommt ins Tessin, wenn ihr uns liebt!

An Auffahrt sind Deutschschweizer wieder erwünscht
Kommt ins Tessin, wenn ihr uns liebt!

Corona hat das Tessin hart getroffen. Der Tourismus liegt brach. Die Hoteliers hoffen nun, dass die Schweizer dieses Jahr hier vermehrt Ferien buchen. Doch mit einem Touristen-Strom rechnet niemand. Der Schrecken der Krise ist noch nicht verflogen.
Publiziert: 19.05.2020 um 23:13 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2020 um 20:00 Uhr
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Aus dem Kanton Tessin kommen fast schon verzweifelte Aufrufe an die restliche Schweiz, wieder in der Sonnenstube Ferien zu buchen.
Foto: Screenshot Blick TV
Flavio Razzino und Benjamin Fisch

Vor genau 49 Tagen flehte der Tessiner Gesundheitsdirektor Raffaele De Rosa (CVP) auf der BLICK-Titelseite: «Kommt nicht ins Tessin, wenn ihr uns liebt!» Der Appell vor Ostern war eindringlich. Gäste aus dem Rest der Schweiz? Bis auf weiteres unerwünscht! Zu heftig wütete damals das Coronavirus in der Sonnenstube. Zu stark waren die Spitäler ausgelastet. Zu gross das Risiko eines Kollaps des Gesundheitssystems. «Ins Tessin reisen ist, als würde man einen Ausflug in ein Ebola-Gebiet machen», mahnte auch Infektiologe Andreas Cerny.

Nun steht Auffahrt vor der Tür. BLICK hat das Tessin nach der Krise besucht – und einen Kanton erlebt, wie man ihn zu dieser Jahreszeit wohl noch nie gesehen hat: leere Gassen in Bellinzona, ausgestorbene Piazze in Lugano, gespenstische Stille in Melide. Und überall Menschen mit Gesichtsmasken, die zum Abstand anhalten. Dennoch ist der Appell aus der Sonnenstube klar: Kommt ins Tessin, wenn ihr uns liebt!

Knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt

«Chömed wieder», sagt auch Regierungspräsident Norman Gobbi (43, Lega). Man müsse der Wirtschaft im Kanton nun unbedingt wieder auf die Beine helfen. Gerade der Tourismus sei nach Corona klinisch tot. Jetzt soll es wieder aufwärtsgehen.

In den letzten Tagen wurden kaum mehr neue Corona-Infizierte gemeldet. Die Lage scheint unter Kontrolle. «Wir sind hier ganz knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Die Spitäler waren voll, das Virus breitete sich rasant aus – doch dank der Disziplin der Bevölkerung und der einschneidenden Massnahmen ist es uns gelungen, das Virus zumindest vorerst zu stoppen», sagt Gobbi in seinem Büro an der Piazza Governo zu BLICK. Touristen seien darum wieder herzlich willkommen.

Ticino Turismo startete pünktlich vor Auffahrt die Marketingaktion «See you soon – das Tessin freut sich auf euch». Dabei winken unter anderem Rabatte von bis zu 20 Prozent auf Hotelübernachtungen. Und auch das Wetter spielt mit: Sonne pur bei hochsommerlichen Temperaturen.

Deutschschweizer Anti-Corona-Kritik verärgert Tessiner

Also alles wieder eitel Sonnenschein? Nein. Es gibt Tessiner, denen der Ruf nach Touristen viel zu schnell geht. Besonders Betroffene, deren Jobs nicht vom Tourismus abhängen, sprechen es auch offen aus. Etwa Cosetta, Krankenpflegerin aus dem Bleniotal. «Ich bekomme den Eindruck, dass die Wirtschaft nun wieder mehr zählt als die Gesundheit der Menschen», sagt sie. Sie sitzt auf dem Rand des grossen Brunnen vor dem Palazzo del Governo, blinzelt in die Sonne und traut der trügerischen Ruhe so kurz nach dem Corona-Ausnahmezustand nicht.

Das Virus hat hier viel verändert. Von der südländischen Leichtigkeit, die das Tessin zum beliebten Ferienort auch für Schweizer anderer Landesteile macht, ist wenig übrig geblieben. Gerade Deutschschweizer werden jetzt argwöhnischer beobachtet. Auch das Foto von der Basler Steinenvorstadt vom Wochenende, als das Partyvolk dicht an dicht in der Gasse stand, sorgt hier für Unmut. «Nur wer die Gefahr am eigenen Leib zu spüren bekommt, nimmt sie wirklich ernst», sagt dann auch Regierungspräsident Gobbi dazu.

Krankenpflegerin Cosetta: «Uns hier im Tessin hat das Virus einen wahnsinnigen Schrecken eingejagt.» Umso irritierter nimmt man zur Kenntnis, wie in Zürich, Bern oder Basel jetzt so getan wird, als sei die Angst vor dem Coronavirus eine riesige Übertreibung gewesen. «Wir hoffen einfach, die Touristen aus der übrigen Schweiz nehmen die Sicherheitsmassnahmen hier ernst genug», sagt Cosetta mit Zweifeln in der Stimme.

Die Angst vor der zweiten Welle

Hotelier Federico Haas (57) aus Lugano sagt klipp und klar: Käme eine zweite Welle und würde ein erneuter Lockdown nötig, wäre es für ihn und sein Hotel Delfino der Todesstoss. Haas ist Präsident von Hotelleriesuisse, Sektion Sottoceneri. «Im März haben wir finanziell noch nicht wirklich gelitten, da wir statt der Touristen plötzlich viele Grenzgänger aus dem Gesundheitssektor und der Industrie beherbergen konnten», sagt er.

Doch im April und Mai seien die Umsätze völlig eingebrochen. «Wir haben 90 Prozent weniger verdient, als wir eigentlich müssten», so Haas. Und obwohl seit dem 4. Mai die Hotels im Tessin wieder Touristen beherbergen dürfen, herrscht noch überall gähnende Leere. «Mein Hotel steht zu 70 Prozent leer – an Auffahrt wären wir im Normalfall ausgebucht.» Auch in den kommenden Monaten erwartet er hohe Verluste. Er wird sein Personal reduzieren müssen. «Wer hier weiterhin arbeiten will, muss Allrounder sein. Nur so können wir uns auf die neue Situation einstellen.»

Werbung für den Südkanton

Haas weiss: «Wir brauchen jetzt die Hilfe der Schweizer!» Man müsse nicht nach Florida oder Phuket reisen. Denn: «Hier ist es auch sonnig, hier hat es auch Palmen. Wer Ferien machen will, kann sich bei uns sicher fühlen.»

Dennoch ist die neue Normalität im Tessin vom Corona-Schrecken geprägt. Den Vorsichtsmassnahmen kann sich niemand entziehen. Allen Gästen wird vor dem Einchecken Fieber gemessen, Lifte dürfen nur alleine betreten werden, die Swimmingpools der Hotels sind ausser Betrieb. Das Zmorge-Buffet fällt aus, die Restauranttische stehen weit auseinander. Ausser Frage: Ferien im Tessin waren auch schon unbeschwerter.

«Geniesst bei uns die Sonne!»
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Tessiner Staatsrat Gobbi:«Geniesst bei uns die Sonne!»
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