«Wenn es zu teuer wird, lässt China Putin fallen»
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China-Experte Ralph Weber:«Wenn es zu teuer wird, lässt China Putin fallen»

Chinas mögliche Reaktionen auf Putins Aggression und deren Auswirkungen
Putins Bitte bringt Xi in die Zwickmühle

China hat sich bei Putins Krieg in der Ukraine bisher vornehm zurückgehalten. Was aber, wenn es Russland bei der Invasion unterstützen wird? Blick zeigt drei mögliche Szenarien und ihre Folgen auf.
Publiziert: 14.03.2022 um 19:53 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2022 um 12:57 Uhr
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In einer Videokonferenz beschlossen Xi Jinping und Wladimir Putin vor einem Jahr eine engere Zusammenarbeit bei Nuklear-Projekten.
Foto: keystone-sda.ch
Guido Felder

Der selber angezettelte Krieg sowie die Wirtschaftssanktionen treffen Russland offenbar schwer. Laut Vertretern der US-Regierung hat der Kreml nach Start der Invasion in die Ukraine Peking um militärische und wirtschaftliche Hilfe gebeten.

Das Weisse Haus ist aufgeschreckt. Jake Sullivan (45), Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden (79), warnte China über CNN: «Wir kommunizieren direkt nach Peking, dass es in jedem Fall Konsequenzen haben wird, sollten sie versuchen, die Sanktionen zu umgehen.»

China dementierte allerdings, eine solche Anfrage aus Moskau erhalten zu haben. «In letzter Zeit haben die USA ständig Desinformationen gegen China verbreitet. Das ist bösartig», sagte ein Sprecher des Pekinger Aussenministeriums.

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China hat es bisher vermieden, für oder gegen den Krieg in der Ukraine Stellung zu beziehen. Der Krieg treffe KP-Generalsekretär und Staatspräsident Xi Jinping (68) in einer dummen Zeit, erklärt Ralph Weber (47), China-Experte an der Uni Basel.

Weil Xi am Parteitag im Herbst für eine dritte Amtsperiode gewählt werden und auf unbestimmte Zeit die Macht behalten wolle, hüte er sich zurzeit davor, sich zu exponieren. «Seine Wiederwahl ist zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher», sagt Weber. «Seit der Krieg begonnen hat, versucht sich Peking durchzumogeln und hofft, dass er bald beendet sein wird.»

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Widersprüchliche Signale aus Peking

So gibt es aus China widersprüchliche Signale zur russischen Aggression. Erst noch hatten Xi und der russische Präsident Wladimir Putin (69) vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking ihre Freundschaft besiegelt. Auch bei der Kommunikation über den Krieg übernehme Peking nach anfänglichem Totschweigen die russische Propaganda, sagt Weber. «Sie wird sogar noch verstärkt. Peking hat zum Beispiel offiziell die Verschwörungstheorie gestützt, dass die USA in der Ukraine gefährliche Labore für Biowaffen betreiben.»

Auf der anderen Seite ist es der zentrale Grundsatz der chinesischen Aussenpolitik, dass ein Staat nicht in seiner Integrität angegriffen werden dürfe. Weber: «Es ist für China ein Horror, dass Putin die Separatistengebiete im ukrainischen Donbass als eigenständige Staaten anerkennt.»

Dass jetzt Moskau in Peking um militärische und wirtschaftliche Hilfe betteln soll, macht laut Weber zwei Dinge klar: dass Russland nicht daran denke, den Krieg bald zu beenden, und dass Russland in der Freundschaft mit China akzeptiere, der Juniorpartner zu sein.

Eine solche Anfrage bringe Xi Jinping noch mehr in die Zwickmühle, auch parteiintern. Wenn er die Bitte ausschlägt, verärgert er seinen Freund. Wenn er ihr nachkommt, unterstützt er den Aggressor, was wiederum das Verhältnis zum Westen – vor allem zu den USA – belaste.

Wie reagiert China? 3 Szenarien

Chinas weiteres Vorgehen dürfte auf den Krieg in der Ukraine grossen Einfluss haben. Wie wird Peking reagieren? Folgende Szenarien sind möglich:

China schweigt

  • Eine andauernde Zurückhaltung Chinas könnte dazu beitragen, dass Peking von beiden Konfliktparteien als Vermittler akzeptiert würde. Dies wäre auch der Wunsch des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell (74). Es gebe keine Alternativen, weil es eine Grossmacht sein müsse und weder Europa noch die USA infrage kämen, sagte er. Allerdings würde China nicht von sich aus vermitteln, sondern müsste darum gebeten werden, meint Weber. Er selber erachtet die Chance für China in der Vermittlerrolle als gering.

China verurteilt die russische Aggression

  • Eine Zurechtweisung durch seinen mächtigen Freund in Peking würde Putin noch am ehesten in seinen Expansionsgelüsten und Aggressionen stoppen. China könnte damit in den USA und in Europa punkten, würde aber seinen gewichtigsten Allianzpartner vor den Kopf stossen und die Allianz damit letztlich schwächen, meint Weber. Innenpolitisch könnte eine solche Kehrtwende für Xi gefährlich sein.

China spannt mit Russland zusammen

  • Es wäre das schlimmste Szenario, wenn China Russland Waffen liefern würde. Weber: «Es käme in der Ukraine zu einer Art Stellvertreterkrieg zwischen den USA und europäischen Ländern einerseits und der Volksrepublik China andererseits. Beide Seiten würden Waffen liefern, ohne selber direkt am Konflikt beteiligt zu sein.» Für Weber ist dieses Szenario in der gegenwärtig unübersichtlichen Lage nicht auszuschliessen. Ein wichtiger Punkt, der dagegen spreche: «Chinas Image würde massiv beschädigt, weil es den Aggressor unterstützt, die andere Seite aber dem Angegriffenen hilft.»

Die Frage stellt sich auch, wie weit China und Russland bei ihrer Partnerschaft noch gehen werden. Kommts sogar zu einem Militärbündnis analog der Nato? «Mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit besteht eine Institution, in der Russland und China schon stärker militärisch zusammenspannen», sagt Weber. In der gemeinsamen Erklärung vor den Olympischen Spielen hatten Russland und China zudem bekräftigt, dass ihre neue freundschaftliche Beziehung über die politische und militärische Allianz des Kalten Kriegs hinausgehe.

Dass diese Freundschaft so schnell einen derartigen Stresstest erfährt, habe Xi wohl nicht vorhergesehen, meint Weber. Das sei innenpolitisch und aussenpolitisch für Xi eine grosse Herausforderung. Weber: «Dass sich der ranghöchste Aussenpolitiker des Parteistaats, Yang Jiechi (71), am Montag in Rom mit Jake Sullivan getroffen hat, zeigt, dass für beide Seiten viel auf dem Spiel steht.»

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