In der EU und den USA herrscht Ratlosigkeit. Der Westen versucht, Kreml-Chef Wladimir Putin (69) mit harten Wirtschaftssanktionen zu einer Beendigung des Ukraine-Kriegs zu bewegen. Die Sanktionen würden zwar wirken, sagt Vasily Astrov (47), Ökonom und Russland-Experte am Vienna Institute for International Economic Studies. Jedoch nicht wie gewünscht.
«Die Sanktionen werden in der russischen Wirtschaft enorme Schäden anrichten», sagt Astrov. Bereits heute werden Produkte knapp und Preise steigen. Das spürt auch die russische Bevölkerung. «Die Preise für Konsumelektronik und für Flüge haben sich in den letzten zehn Tagen verdoppelt. Gleichzeitig hat der Wertverlust des Rubels die Ersparnisse der Russen schmelzen lassen.»
«Es ist wahrscheinlich, dass Putin gewinnt»
Und das sei erst der Anfang, ist Astrov überzeugt. «Der Absturz des Rubels wird sich erst in zwei, drei Monaten richtig bemerkbar machen. Erst dann kommen die Preiseffekte voll zum Tragen.» Denn neue Bestellungen werden für russische Firmen aufgrund des schwachen Rubels immer teurer. «Die russische Wirtschaft wird in diesem Jahr eine schwere Rezession erleben», sagt Astrov.
Astrov kann sich trotzdem nicht vorstellen, dass die Sanktionen Putin zum Einlenken bewegen. «Für Putin steht zu viel auf dem Spiel. Es ist schwierig, Argumente dafür zu finden, dass dieser Krieg schnell vorbei sein wird.» Astrov rechnet gar damit, dass das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland auf lange Zeit zerstört ist. «Es ist immer noch wahrscheinlich, dass Putin diesen Krieg gewinnen wird, und dann sehe ich kein Potenzial für eine Annäherung.»
Würden härtere Sanktionen helfen?
Der Westen will einen russischen Sieg mit Waffenlieferungen an die Ukraine verhindern – und erwägt auch härtere Sanktionen wie ein Embargo für russisches Öl und Gas, die 60 Prozent der russischen Exporte ausmachen. «Das wäre ein gewaltiger Schlag für die russische Wirtschaft», sagt Astrov. Das würde vor allem auch die öffentlichen Finanzen hart treffen und die derzeit tiefe Staatsverschuldung rasend schnell ansteigen lassen. «40 Prozent der russischen Steuereinnahmen kommen aus dem Energiesektor.»
Ein Stopp der Gasimporte würde aber auch die EU schwer treffen. Die EU-Länder decken 40 Prozent ihres Gasbedarfs über Russland ab. Diese Mengen können kurzfristig nicht über andere Kanäle kompensiert werden. Astrov hegt zudem starke Zweifel, dass ein Gas-Importstopp den gewünschten Effekt hätte. «Auch härtere Sanktionen werden Putin nicht in die Knie zwingen.»
Russland wird wirtschaftlich isoliert
Der Ökonom befürchtet gar, dass sie Putin in die Karten spielen. «Viele Menschen sind pro Putin und pro Krieg eingestellt. Härtere Sanktionen spielen der russischen Propaganda in die Karten, die den Westen als Feind darstellt, der der russischen Bevölkerung schaden will.»
Russland dürfte durch den Krieg wirtschaftlich künftig stark vom Westen isoliert sein. «Russland wird gezwungen sein, im Technologiebereich eigene Produktionskapazitäten aufzubauen.» Mittelfristig werde Russland zudem wohl stärker von China abhängig werden.