Chance für Ukraine-Angriff
Diese Schwächen hat die russische Verteidigung in Cherson

Russland hält eine ukrainische Gegenoffensive am linken Dnepr-Ufer wohl für unausweichlich. Verteidigungslinien sollen diese aufhalten. Doch der Wall hat Lücken.
Publiziert: 28.11.2022 um 19:09 Uhr
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Die russischen Truppen festigen nach ihrem Abzug vom rechten Dnepr-Ufer die Stellungen auf der anderen Flussseite.
Foto: keystone-sda.ch

Seit ihrem Rückzug aus der Stadt Cherson arbeiten die russischen Truppen daran, ihre Verteidigungspositionen auf der anderen Seite des Dnepr zu festigen. Die Armee rechnet offenbar damit, dass die Ukrainer es irgendwann schaffen, den Fluss zu überqueren.

Ob diese Verteidigungslinien tatsächlich einem potenziellen Gegenangriff der Ukrainer Stand halten können, ist für Militär-Experten aber fraglich. Das Thinktank Institute for the Study of War (ISW) schreibt in ihrem Bericht am Sonntag: «Die russischen Positionen sind für eine Verteidigung optimiert, falls die Ukraine über die Strassen vorrücken will. Doch die ukrainischen Kräfte haben schon gezeigt, dass sie es auch querfeldein können.»

Eher Strassensperren als Verteidigungslinien

Genau hier könnte dann das Problem liegen. Wie Satellitenbilder zeigen, haben die Russen ihre Stellungen unmittelbar an den Strassen errichtet, die Schützengräben sind senkrecht zu diesen aufgebaut. «Sie ähneln also eher ausgeklügelten Strassensperren als Teilen von zusammenhängenden Verteidigungslinien, die sich über mehrere Grundverbindungslinien und Felder erstrecken», schreiben die Militär-Experten des ISW weiter in ihrem Bericht.

Die Flanken auf den Feldern bleiben somit offen. Laut dem ISW seien diese so nur schlecht zu verteidigen. Auch die aufgestellten Panzersperren würden nicht weit genug reichen. Würden die Ukrainer über die Felder rollen, könnten sie die feindlichen Stellungen einkesseln.

Verteidigung bei Kinburn schwach

Eine vollständige Einkesselung würde sogar drohen, wenn es den Ukrainern gelingt, den Dnepr bei Nowa Kachowka zu überqueren und gleichzeitig eine Offensive über die Kinburn-Halbinsel im Westen durchzuführen. Dass die Russen einen Angriff an dieser Stelle als eine echte Bedrohung ansehen, untermauert der Aufbau der Verteidigungslinien. Die Anordnung deutet darauf hin, dass die russischen Streitkräfte nicht damit rechnen, ihre Stellungen auf der Nehrung, einem schmalen Sandstreifen, selbst zu halten.

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Würden die Ukrainer tatsächlich in den kommenden Wochen schon einen Grossangriff starten, würden sie wohl auf schlecht verteidigte Linien treffen. Denn die russischen Generäle schicken in die erste Reihe unerfahrene Mobilisierte, die als «Kanonenfutter» dienen sollen. Bis sie gut ausgebildet und somit hilfreich wären, würde deutlich mehr Zeit gebraucht werden. Zeit, die die Ukrainer bei der Rückeroberung von der Oblast Cherson für sich nutzen könnten.

Endlose Steppe, ohne ausreichende Deckung

Die Region ist für Wladimir Putin (70) deshalb so wichtig, weil so der Zugang zur Halbinsel Krim gesichert ist. Seit der Annexion im Jahr 2014 steht die Krim unter russischer Kontrolle.

Ob die Ukrainer aber überhaupt demnächst eine Flussüberquerung wagen, ist fraglich. Selbst wenn sie den Fluss überqueren können, hätten sie mit denselben Versorgungsschwierigkeiten zu kämpfen wie zuvor die Russen in Cherson. Nicht zuletzt erstreckt sich dort eine schier endlose Steppe – ohne ausreichende Deckung. Hinzu kommt die Furcht vor Minen oder einem russischen Gegenschlag, die auch den ukrainischen Vormarsch verlangsamt. (man)

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