Brüssel tobt wegen der Einführung des Homo-Gesetzes
Fliegt Orbans Ungarn nun aus der EU?

In Brüssel herrscht Entsetzen über das neue Gesetz in Ungarn, das die Darstellung von nicht-heterosexuellen Beziehungen verbietet. Erste Stimmen nach einem Rauswurf aus der EU werden laut. Aber geht das überhaupt?
Publiziert: 25.06.2021 um 12:07 Uhr
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Aktualisiert: 25.06.2021 um 14:57 Uhr
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Im Amsterdam kam es gegen das neue ungarische Gesetz zu Anti-Orbán-Demonstrationen.
Foto: keystone-sda.ch
Guido Felder

Der Streit zwischen der EU und ihrem Mitgliedstaat Ungarn eskaliert. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (54) sagte am Donnerstagabend am EU-Gipfel in Brüssel über die Magyaren: «Meiner Meinung nach haben sie in der Europäischen Union nichts mehr zu suchen.»

Grund des Streits: Das ungarische Parlament hat ein Verbot für Publikationen eingeführt, die Kindern zugänglich sind und nicht-heterosexuelle Beziehungen darstellen. Auch wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen. Für Brüssel eine klare Diskriminierung, für Ungarns Regierungschef Viktor Orbán (58) ein Gesetz gegen Pädophile.

Am Gipfel in Brüssel hatte sich Orbán geweigert, das Gesetz zurückzuziehen. Es ist seit Donnerstagnacht in Kraft.

Rausschmiss unmöglich

Ruttes Wunsch, Ungarn aus der EU zu schmeissen, wird nicht in Erfüllung gehen. Denn es gibt kein Verfahren, um einen unliebsamen Mitgliedstaat loszuwerden. Das stärkste Mittel der EU ist eine Suspendierung von Mitgliedschaftsrechten, zu denen etwa das Stimmrecht gehört. Auch Bussen oder die Kürzung von Geldern gehören bei Verletzung des EU-Vertrags zu den Massnahmen.

Was aber, wenn ein bestrafter Staat ein Urteil nicht akzeptiert und die Busse nicht bezahlt? Dann müsste die EU ihre Forderungen eintreiben, indem sie zum Beispiel ungarisches Auslandvermögen oder Grundstücke, die dem ungarischen Staat gehören und auf EU-Boden stehen, beschlagnahmt.

Das Problem für die Ungarn-Kritiker in der EU: Sämtliche Staats- und Regierungschefs müssen eine Verletzung des EU-Rechts feststellen. Von befreundeten Staaten wie Polen kann Ungarn erwarten, dass sie das Veto einlegen würden.

Sie können nur selber gehen

Ungarn und die EU könnten sich also nur trennen, wenn die Initiative vom Mitgliedstaat aus kommt. So, wie es beim Brexit geschehen ist.

Doch für Orbán ist ein Austritt keine Option. Als Grossbritannien die EU verliess, bezeichnete er dies zwar als «Beweis für die Grösse der Briten» und als «Fehler der Europäischen Union». Er betonte aber, dass Ungarn die EU nicht verlassen werde. «Wir können es uns nicht leisten, diesem Weg zu folgen», sagte er und verwies auf die hohe Zustimmung der ungarischen Bevölkerung für die EU und die Tatsache, dass die ungarische Wirtschaft zu eng mit dem Rest verflochten sei.

Gemäss Orbán soll sich vielmehr die EU bewegen. Er erhofft sich, abgesehen von Polen, vor allem in Österreich einen Partner im Kampf gegen ein «von Brüssel regiertes Imperium». Jüngere und etablierte EU-Mitglieder müssten einen Kompromiss über die Ausrichtung der EU finden. Der Westen müsse jedenfalls das Recht, «unter den Gesetzen der christlichen Freiheit» zu leben, respektieren und mit offenen Attacken «gegen unsere Nationen und Regierungen» aufhören.

Weitere Streitigkeiten

Zwischen der EU und Ungarn gibt es seit Jahren auch andere Streitpunkte. So weigerte sich Orbán, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Verteilung von Flüchtlingen zu akzeptieren. Wegen der Einschränkung der Justiz sowie der Presse- und Meinungsfreiheit läuft zudem gegen Ungarn ein Strafverfahren. Im Frühling 2020 ist Orbán mit seiner rechtsnationalen Fidesz-Partei aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei ausgetreten.

Der aufgebrachte Rutte möchte die Ungarn zwar loswerden, er weiss aber genau: «Ich kann sie nicht rausdrängen.» Daher müsse die EU Schritt für Schritt vorgehen. Orbán müsse kapieren, dass die EU «eine Gemeinschaft von Werten» sei. Rutte: «Wir wollen Ungarn in die Knie zwingen.»

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