Blutiger Aufstand mit zahlreichen Toten – wegen Steuererhöhung
Generation Z zwingt Kenia-Präsident in die Knie

In Kenia sind Proteste der Jugend gegen eine geplante Steuererhöhung ausgeartet. Die Angst vor einer Ausbreitung der Krawalle auf andere Länder und einer Einflussnahme Russlands wächst. Wir erklären die Zusammenhänge und die Brisanz der Protestaktion.
Publiziert: 26.06.2024 um 20:22 Uhr
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Aktualisiert: 27.06.2024 um 09:56 Uhr
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Bei den Protesten in Kenia kam es zu mehreren Brandanschlägen.
Foto: Anadolu via Getty Images
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Guido FelderAusland-Redaktor

Es waren Szenen wie bei der Kapitol-Stürmung in Washington vor drei Jahren: Hunderte von Demonstrierenden drangen am Dienstag in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ins Parlamentsgebäude ein, als die Abgeordneten über ein umstrittenes Steuergesetz verhandelten. Bei der Stürmung wurde ein Teil des Gebäudes in Brand gesetzt. Die Parlamentarier brachten sich in Tunneln und Kellern in Sicherheit. Auch in andern Städten brannten Häuser von Abgeordneten. 

Die Polizei reagierte laut Menschenrechtsorganisationen mit übertriebener Härte. So kam nebst Tränengas und Wasserwerfern auch scharfe Munition zum Einsatz. Es gab zahlreiche Tote – wie viele, ist unklar. Ausgehend von Posts auf den sozialen Medien werden die Toten landesweit jedoch auf über 200 geschätzt.

Junge wehren sich gegen Steuererhöhung

In Kenia werden Erinnerungen an 2007/2008 wach, als es nach den Präsidentschaftswahlen zu Ausschreitungen kam, bei denen rund 1500 Menschen getötet und über 600’000 vertrieben wurden. In der Zwischenzeit aber zählte die Touristendestination Kenia zu den politisch und wirtschaftlich stabilsten Ländern Ostafrikas. 

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Die jüngsten Proteste angestossen hatte die Generation Z – die Jungen, von denen dank der inzwischen gratis zugänglichen Schulen zwar viele gut gebildet, aber dennoch arbeitslos sind. Die Jugendarbeitslosigkeit auf gegen 40 Prozent angestiegen. 

Mit ihrem Protest haben die Jungen, die mit einem neuen Steuergesetz noch höhere Lebenshaltungskosten befürchten, Erfolg. Am Mittwochabend hat Präsident William Ruto (57) bekannt gegeben, dass er das Gesetz nicht unterzeichnen werde.

Demonstrierende wollen Korruption stoppen

Doch trotz dieses Rückzugs sind die Jugendlichen wütend auf den Präsidenten. Der Chef der konservativen Vereinigten Demokratischen Allianz gilt zwar im Westen als Hoffnungsträger und treuer Verbündeter, der die russische Invasion in die Ukraine verurteilt und den Klimaschutz in Afrika vorantreibt. Im eigenen Land aber betrachten ihn die Leute als einen Politiker, der es nur durch Korruption zu einem der reichsten Kenianer gebracht hat. 

Die jungen Demonstranten fordern auch eine Eindämmung der überbordenden Ausgaben. Auf diese Weise sollen die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) eingehalten werden. Der IWF unterstützt das hoch verschuldete Kenia mit Milliardenkrediten, verlangt dafür aber gleichzeitig ein ausgeglichenes Budget.

Moskau nutzt die Unruhen aus

Laut Präsident Ruto sind die Ausschreitungen auf «organisierte Kriminelle» zurückzuführen, welche die Proteste infiltriert und unterwandert haben. Inwieweit Moskau bei der Aufwiegelung seine Finger im Spiel hat, ist nicht klar. Sicher ist aber, dass der Kreml die Unruhen ausnutzt.

Mathias Kamp, Kenia-Kenner bei der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, sagt gegenüber Blick: «Auf den sozialen Medien läuft eine massive Einflussnahme, um die Proteste als antiwestlich zu verfälschen.» Zudem waren bei den Demonstrierenden vereinzelt russische Fahnen zu sehen. 

Möglicherweise kommt es zu weiteren Protestaktionen. Da Kenia in einer instabilen Region mit vielen Konflikten als Stabilitätsanker gilt, ist die Angst vor negativen Auswirkungen gross. Kamp: «Es besteht die Sorge, dass die Entwicklungen in Kenia zu ähnlichen Protesten in Nachbarländern inspirieren. Das gilt vor allem für das autoritär regierte Uganda, wo der Frust der jungen Generation wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage gross ist.»

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