In Niger spitzt sich die Situation zu. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, der nebst Niger 14 weitere Länder angehören, droht mit einer militärischen Intervention. Um einen solchen Angriff zu verhindern, hat die Militärjunta, die am 26. Juli die Regierung von Niger gestürzt hat, jetzt den Luftraum geschlossen.
Wir sagen dir, was passieren könnte und warum wir uns auch in der Schweiz für diesen Konflikt interessieren sollten.
Marschieren die Nachbarstaaten in Niger ein?
Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms bei der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, glaubt nicht, dass es zu einem Einmarsch durch die Ecowas kommt. «Die Organisation hat keine Eingreiftruppe und müsste zuerst eine Einheit aus den Mitgliedsstaaten zusammenstellen.»
Es ist überhaupt fraglich, ob die Ecowas im grossen Land Niger, dessen Soldaten von den USA und Frankreich ausgebildet wurden, logistisch eine Militärintervention organisieren könnte. Die Staatengemeinschaft hat zwar mit militärischen Missionen in Liberia, Sierra Leone, Gambia, der Elfenbeinküste und Guinea-Bissau militärische Erfahrung gesammelt. Nur: Damals wurden die internationalen Truppen von den herrschenden Regierungen gerufen.
Weitet sich der Konflikt auf andere Länder aus?
Innerhalb der Ecowas loderts. Während vor allem Nigers Nachbarland Nigeria die Position als regionale Führungsmacht zurückholen will und auf ein Eingreifen drängt, stellen sich Mali und Burkina Faso – beide auch mit Militärregierungen – hinter die Putschisten im Niger. Sie haben erklärt, dass sie ein Eingreifen als «Kriegserklärung» gegen sich selber betrachten würden.
Wenn es zu einem Militärschlag käme, könnte der Konflikt zu einem Krieg wie im Sudan ausarten, sagt Ulf Laessing. «Truppenteile, die dem gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum nahestehen, würden sich auf die Seiten der Ecowas stellen und die Putschisten bekämpfen. Das kann schnell zu einem Bürgerkrieg eskalieren.»
Algeriens Präsident, Abdelmadjid Tebboune (77), warnt die Ecowas vor einer militärischen Mission. Er befürchtet einen Flächenbrand «für die ganze Sahelregion».
Kommt es zu einem weiteren Stellvertreterkrieg zwischen Russland und dem Westen?
Moskau unterstützt die Putschisten zwar mit einer Desinformationskampagne in den sozialen Medien. «Russland ist aber nicht am Putsch beteiligt und würde eine Ecowas-Intervention militärisch nicht bekämpfen», meint Laessing.
Es sei aber nicht absehbar, ob die Putschisten später russische Wagner-Söldner ins Land holen würden. Um ihre Macht zu zementieren, setzten die Putschisten in Mali und Burkina Faso in den vergangenen Jahren auf die russischen Söldner-Truppen, die auch in der Ukraine im Einsatz stehen.
Laut Laessing unterstützen Mali, Burkina Faso und Guinea die Putschisten in Niger. Die drei Länder unterhalten eine gute Beziehung zu Moskau. Laessing: «Sie werden versuchen, Niger in die neue Achse Russland in Afrika zu bringen. Ich glaube aber nicht, dass Mali und Burkina Faso, deren eigene Armeen selber im Kampf gegen Dschihadisten stehen, militärisch eingreifen werden.»
Kommt es in anderen Staaten zu weiteren Putschs?
Ein weiterer Putsch wäre in Nigers Nachbarstaat Tschad möglich. Laessing: «Da ist der Militärmachthaber unbeliebt und zudem mit Frankreich verbündet.» In der ganzen Region wächst die anti-französische Stimmung: In Niger rissen Demonstranten die französische Tricolore weg und ersetzten sie durch russische und nigrische Fahnen, in den vergangenen Monaten demonstrierten in Mali Hunderttausende gegen den Einfluss Frankreichs.
Warum schadet uns dieser Konflikt?
Niger spielt in der Bekämpfung des Terrorismus, vor allem des Islamismus, eine zentrale Rolle. Westliche Länder haben dafür viel in die nigrische Armee und Polizei investiert. Ohne funktionierende Regierung dürften sie wieder Auftrieb bekommen.
Niger gilt auch als eines der wichtigsten Transitländer für Migranten Richtung Europa. Die abgesetzte Regierung hatte diese Route nach Libyen geschlossen. Laessing: «Die Putschisten könnten Druck auf Europa ausüben, indem sie mit der Öffnung der Route drohen. Mehr Instabilität in Niger bedeutet auch mehr Migration aus Afrika nach Europa.»
Niger ist aber auch wegen der Rohstoffe wichtig. Die EU bezieht ein Viertel ihres Uranbedarfs für Atomstrom aus Niger. Zudem verfügt der Niger auch über Gold- und Kohlevorkommen.