Ende Februar erklärte Emmanuel Macron (45), der französische Staatspräsident, die «Françafrique»-Ära für «passé». Er rief eine neue Phase der franko-afrikanischen Beziehungen aus, schwor, er gehöre «zu einer Generation, die nicht kommt, um den Afrikanern zu sagen, was sie tun sollen». Viele westliche Staatsoberhäupter wollen es ihm gleichtun.
Doch der Militärputsch gegen Mohamed Bazoum (63), den Präsidenten Nigers, letzte Woche liess die Hoffnungen auf positive neue Beziehungen schwinden. Der Kommandeur der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tiani (62), ernannte sich selbst zum neuen Machthaber. Am Freitag verkündete er: «Das Militär ist zuversichtlich, dass Niger endlich aufhören wird, eine europäische Kolonie zu sein. In naher Zukunft müssen alle französischen Soldaten das Staatsgebiet verlassen.»
Damit reflektiert er die antiwestliche Haltung der nigrischen Bevölkerung. Demonstranten in Niamey, der Hauptstadt Nigers, skandierten «Nieder mit Frankreich», eine Menschenmenge griff die französische Botschaft an, setzte die Tür in Brand und zerschlug Fenster. Auf Kundgebungen wurden die antifranzösischen Parolen gerufen. Niger steht mit seinen Ressentiments gegen Frankreich stellvertretend für viele Länder der Sahelzone. Der Putsch im Land ist nach Mali und Burkina Faso der dritte in der Region seit 2020. Sie alle stellen ganz grundsätzlich die Militärpräsenz Frankreichs im Sahel infrage.
Sahelzone wird zum Nährboden für Terrorismus
Der Niger war nicht nur die letzte Demokratie in der Region, sondern auch der letzte Stabilitätsanker des Westens in der Sahelzone. Längerfristig besteht die Aussicht, dass die nun entstandene Instabilität dazu führt, dass der Niger zu einer Basis für Extremismus und Terrorismus in Westafrika wird. Und somit zu einer globalen Sicherheitsbedrohung.
Die Zunahme des Terrorismus in der Sahelzone ist dramatisch. Laut dem «Global Terrorism Index 2023» hat der Terrorismus in den letzten 15 Jahren um über 2000 Prozent zugenommen, insbesondere der Dschihadismus. Im letzten Jahr starben mehr als 22'000 Afrikaner durch dschihadistische Gewalt, 50 Prozent mehr als im Vorjahr und doppelt so viele wie 2014 im Irak, als der Islamische Staat seinen Höhepunkt erreichte.
Die 2013 unter französischer Führung begonnenen militärischen Bemühungen zur Bekämpfung der Dschihadisten in der Sahelzone haben nur mässige Ergebnisse gebracht, was zum Teil auf das Misstrauen der Einheimischen gegenüber Frankreich zurückzuführen ist. Nigers Putschisten behaupten, dass sie die Dschihadisten besser bekämpfen würden, doch auf den Sturz gewählter Regierungen in Burkina Faso und Mali folgte dort ein sprunghafter Anstieg der dschihadistischen Gewalt, wie der Index zeigt.
Russland weitet Einfluss auf Westafrika aus
Statt französischer Truppen bietet sich in Mali und Burkina Faso seit Jahren die russische Söldnergruppe Wagner als Sicherheitsgarant an. Dadurch wächst der Einfluss Russlands in der Region. Russland gilt laut der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden nebst China und der Türkei als wichtigster Partner der Sahel-Länder. «Lang lebe Russland», ruft ein junger Mann bei einer Kundgebung letzte Woche in die Kamera. Andere in der Menge wiederholen seinen Ruf. Am 3. August, dem Unabhängigkeitstag Nigers, schwenkte der wütende Demonstranten-Mob russische Fahnen. Ähnliche Szenen hatte es in den letzten Jahren auch in Mali und Burkina Faso gegeben.
Nicht nur in Sachen Sicherheit, sondern auch wirtschaftlich steht Europa mit diesem Putsch vor einem Problem. Denn der Niger ist ein wichtiger Uranlieferant. Er ist weltweit der siebtgrösste Produzent des radioaktiven Materials, letztes Jahr wurden dort laut der Atom-Lobbyorganisation World Nuclear Association rund 2000 Tonnen Uran abgebaut. Laut der EU-Atombehörde Euratom stammt rund ein Viertel des in die EU importierten Urans aus dem Sahel-Land. Ein vollständiger Bruch mit Niger wäre für die Energieversorgung Europas also fatal.
Es ist nicht zu leugnen, dass sich die Sahelzone zu einem antiwestlichen Band quer durch Westafrika entwickelt. Damit steht für den Westen viel auf dem Spiel. Und eine Lösung liegt in weiter Ferne.