Experte William Gumede (52) warnt gar vor neuem Kalten Krieg
Russland baut seine Macht in Afrika aus

Der afrikanische Kontinent spielt eine wichtige Rolle in der russischen Aussenpolitik. Dies begünstigt den Zerfall afrikanischer Demokratien, ist sich ein Experte sicher.
Publiziert: 19.12.2022 um 09:45 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2022 um 11:36 Uhr
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Vor wenigen Tagen lud Joe Biden (M.) zu einem Gipfeltreffen von afrikanischen Staatsoberhäuptern ein.
Foto: imago/UPI Photo
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

30’370’000 km², 1216 Millionen Einwohner, 54 Staaten – Afrika auf seiner Seite zu haben, bedeutet, den zweitgrössten Kontinent – in Sachen Bevölkerung und Fläche – seinen Verbündeten nennen zu dürfen. Dessen sind sich auch China, Russland und der Westen bewusst.

Kein Wunder also, dass der amerikanische Präsident Joe Biden (80) vor wenigen Tagen afrikanische Staatsoberhäupter nach Washington eingeladen hat. «Afrikas Erfolg ist der Erfolg der Welt», lässt er sich auf der Regierungswebsite zitieren. Russland und die USA haben sich in den vergangenen Monaten in Afrika die Türklinke gereicht. Zuerst besuchte der russische Aussenminister Sergei Lawrow (72) im Sommer den Kontinent, kurz darauf machte sich sein US-amerikanischer Amtskollege Antony Blinken (60) auf den Weg in den Süden.

Der Hintergrund: der Krieg in der Ukraine und die ausbleibende Verurteilung durch die afrikanischen Staaten. Denn diese leiden besonders unter dem Krieg und den Sanktionen – alles wird teurer, Getreidelieferungen bleiben aus. Die beiden Blöcke – die USA und Russland – versuchen, afrikanische Staatsoberhäupter von ihren Ansichten zu überzeugen. Aber vor allem die russische Version scheint nach wie vor Gehör in Afrika zu finden.

Russland will in Afrika Verbündete finden

«Es herrscht ein neuer Kalter Krieg zwischen den USA und Russland», meint William Gumede (52), Gründer und Vorsitzender der südafrikanischen Organisation Democracy Works, im Gespräch mit Blick. Für ihn scheint aber bereits jetzt klar zu sein: In diesem kalten Krieg wird es wohl eindeutige Verlierer geben: der Westen, für den die USA im weitesten Sinne stellvertretend stehen – und die Demokratie.

Denn vor allem der russische Einfluss sei in afrikanischen Regierungen immer stärker spürbar, so Gumede. Eine Entwicklung, die ihm Sorge bereitet, für ihn allerdings wenig überraschend ist. «Der Krieg gegen die Demokratie in Afrika dauert schon lange an – seit über zwei Jahrzehnten.»

So sind beispielsweise Kämpfer der Wagner-Gruppe seit 2021 in Mali stationiert, deutsche und französische Blauhelm-Operationen wurden kürzlich unterbrochen. Michel Wyss (35), Experte für Stellvertreterkriegsführung an der Militärakademie der ETH Zürich, erklärte Blick im Juni: «Russland bietet sich, wie bereits zuvor in anderen afrikanischen Ländern, als Sicherheitspartner an. Offiziell wird die Wagner-Gruppe eingesetzt, um malische Sicherheitskräfte auszubilden.»

Es sei kein Zufall, dass sich ausgerechnet russische Söldner dem «Schutz» von Mali angenommen haben. «Moskau versucht gezielt, seine Machtposition in Afrika auszubauen», so Wyss. Während die politische Instabilität in Mali zu einem Zerwürfnis mit Europa geführt habe, eröffne sie Russland neue Möglichkeiten in Afrika.

«Sie sehen Putin als Vorbild»

Länder wie Russland und China würden seit Jahren ihren Einfluss auf Afrika ausweiten, auch wirtschaftlich. «Russland und China haben sehr viel in Afrika investiert. Natürlich nicht ohne Hintergedanken», sagt Gumede. «Sie wollen Verbündete finden – denn Russland ist nicht erst seit dem Ukraine-Krieg vom Westen isoliert worden.»

Afrikanische Regierungsoberhäupter scheinen Gefallen an den autokratischen Tendenzen Russlands zu finden. Gumede erklärt: «Während die afrikanische Bevölkerung ganz klar für die Demokratie ist, wollen Regierungsführer diese gar nicht.»

Und schlimmer noch: «Afrikanische Spitzenpolitiker sehen Wladimir Putin (70) als Vorbild.» Dies sei auch der Grund, weshalb viele afrikanische Nationen den Krieg in der Ukraine nicht verurteilten oder diesen gar befürworten. «In Afrika freut man sich, dass Putin dem Westen mit dem Krieg eine Ohrfeige verpasst hat.»

Westen muss sich mit Afrika auseinandersetzen

Und was macht der Westen? «Nichts», meint Gumede. «Der Westen hat kaum mitbekommen, dass das alles passiert – und jetzt ist es beinahe zu spät.» Denn der Westen würde sich nur um Afrika kümmern, wenn der Kontinent für den Westen nützlich sein könnte, meint Gumede. So wie jetzt. Aus diesem Grund wirken auch Bidens Aussagen eher heuchlerisch als unterstützend.

Das Ruder herumzureissen könnte schwierig werden, prophezeit Gumede. Denn: «Der Westen wurde in Afrika schon vor langer Zeit durch Russland ersetzt.» Um die Gunst von Afrika zurückzuerobern, müsse der Westen vor allem eins tun: «Sich wieder langfristig und differenziert mit dem afrikanischen Kontinent auseinandersetzten.» Und das dringender denn je, findet Gumede.

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