Fünf Hubschrauber flogen im März im Tiefflug über die Stadt Moura in Mali. Es waren die Vorboten des Grauens, das den Bewohnern bevorstand, die sich seit 2015 in der Gewalt eines lokalen Al-Qaida-Ablegers befinden, wie Augenzeugen der «New York Times» erzählen.
In den folgenden fünf Tagen wurden Häuser geplündert, Zivilisten dazu gezwungen, Massengräber auszuheben und Hunderte Männer brutal exekutiert. Es war nicht nur das Werk von Mali-Soldaten, sondern auch von ausländischen Söldnern. «Wir dachten, die weissen Soldaten würden uns von den Dschihadisten befreien, aber sie sind viel gefährlicher», wird ein Malier zitiert.
Die «weissen Soldaten» gehören dem gefürchteten russischen Wagner-Trupp an. Auch bekannt als Putins Schattenarmee. Offiziell existiert die Truppe gar nicht. Söldnertum ist in Russland nämlich verboten. Die Gruppe Wagner ist ein privates Militärunternehmen und bekannt dafür, vom Kreml für geheime Operationen eingesetzt zu werden. So haben die Soldaten bereits in Bürgerkriegen in Syrien, Libyen und eben Mali gekämpft.
Die jüngsten Menschenrechtsverletzungen in dem westafrikanischen Land glichen laut der «New York Times» einem neuen Muster von Folter und Hinrichtung, das für die Wagner-Söldner typisch sei. Und auch Drohnenaufnahmen des französischen Militärs vom Mittwoch zeigen, wie Putins Schattenarmee in Mali sein Unwesen treibt.
Russland möchte Macht in Afrika ausbauen
Gegründet wurde die Truppe von Dmitri Utkin (51), einem ehemaligen Oberstleutnant der Spezialkräfte des russischen Militärgeheimdienstes und Veteran beider Tschetschenienkriege. Den Truppennamen übernahm er von Hitlers Lieblingskomponisten Richard Wagner. 2016 zeichnete Putin Utkin für seinen Einsatz in der Ukraine mit einem Orden aus.
Die Wagner-Söldner sind schon seit 2021 in Mali stationiert, angeheuert von der herrschenden Militär-Regierung. Der Einsatz der Russen-Söldner war auch einer der Gründe, weshalb sich Frankreich und seine westlichen Alliierten im Februar dazu entschieden haben, sich aus Mali zurückzuziehen.
Michel Wyss (35), Experte für Stellvertreterkriegsführung an der Militärakademie der ETH Zürich, erklärt gegenüber Blick: «Russland bietet sich, wie bereits zuvor in anderen afrikanischen Ländern, als Sicherheitspartner an. Offiziell wird die Wagner-Gruppe eingesetzt, um malische Sicherheitskräfte auszubilden.»
Es sei also kein Zufall, dass sich ausgerechnet russische Söldner dem «Schutz» von Mali angenommen haben. «Moskau versucht gezielt, seine Machtposition in Afrika auszubauen», so Wyss. Der russische Einfluss auf den afrikanischen Kontinent scheint sich auszuzahlen: Viele afrikanische Staaten halten sich mit der Verurteilung der russischen Invasion der Ukraine zurück und tragen auch das Sanktionsregime nicht mit. Während die politische Instabilität in Mali zu einem Zerwürfnis mit Europa geführt hat, eröffnet sie Russland neue Möglichkeiten in Afrika.
Wagner-Truppe für «schlimmste Gräueltaten» verantwortlich
Wo die Schattenarmee der russischen Regierung ist, sind auch Menschenrechtsverletzungen nicht weit. Laut Augenzeugen differenzieren die Wagner-Soldaten nicht zwischen islamistischen Kämpfern und unschuldigen Zivilisten, wie ein Vorfall Ende März beweist. Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) wurden allein zwischen 27. und 31. März 300 Zivilisten in Moura getötet. Die Organisation sprach von der «schlimmsten Gräueltat» in Mali seit einem Jahrzehnt.
Dies sei laut Wyss auch ein Grund, weshalb Putin auf seinen «verlängerten Arm» setzt und nicht sein offizielles Militär nach Mali schickt. Denn: «Wenn Söldnertruppen im Einsatz sind, stellen sich eine Reihe von Herausforderungen, beispielsweise bei der Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Falle von Menschenrechtsverletzungen.»
Und: Durch den Einsatz von Söldnern kann Putin seine Pläne in Afrika besser leugnen. «Der Einsatz solcher Stellvertreter erlaubt dem Kreml, seine eigene Einflussnahme zu bestreiten, selbst wenn es viele Belege für die Verbindungen zwischen dem russischen Sicherheitsestablishment und der Gruppe Wagner gibt.»
Konflikte in Afrika gehen auf Kosten Europas
Der Ausbau der russischen Macht in Afrika hat aber noch einen weiteren Vorteil für Putin. Wyss zu Blick: «Er geht auf Kosten Europas. Die russische Einflussnahme stellt nun zudem eine Gelegenheit dar, um die europäische ‹Einflussnahme› im Ukrainekrieg indirekt zu vergelten.»
Im Westen befürchtet man hinter der Ausweitung der Söldner-Einsätze in Ländern wie Libyen und Mali eine klare Strategie des Kremls. So warnte beispielsweise der britische Verteidigungsminister Ben Wallace (52) an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der spanischen Verteidigungsministerin Margarita Robles (65) davor, dass Russland gezielt Migranten an die Grenzen Europas lenken wolle.