Seit Lyndon B. Johnson (1908–1973) steht es im Oval Office, wenn US-Präsidenten für die Fotografen posieren. Und doch nimmt es kaum jemand wahr. Es ist das ungestüme Pferd des amerikanischen Künstlers Frederic Remington (1861–1909), eines der berühmtesten Chronisten des Wilden Westens. Seine Bronzeskulptur «Bronco Buster» zeigt einen Cowboy auf einem wilden Bronco, der sich aufbäumt und vergebens versucht, den Reiter abzuwerfen.
Die kraftvolle Bronzeskulptur wurde zum Symbol für den Geist der ersten Siedler, für die Unterwerfung von Natur und Fleisch. Es zeigt die Widerstandskraft, Stärke, Entschlossenheit und den Mut der Pioniere, die Richtung Westen zogen, um sich vermeintlich unberührtes Land untertan zu machen.
Eine Ikone der amerikanischen Kunst
Frederic Remington dokumentierte als Maler, Illustrator und Bildhauer eine exotische Welt, die, kaum entdeckt, bereits wieder am Verschwinden war. Obwohl der Kunststudent Remington aus einer wohlhabenden Familie stammte, oder vielleicht gerade deshalb, widerstrebte ihm ein Leben als «rich kid» in den traditionellen Ateliers.
Die Neugierde lockte ihn in die Weiten der Prärie jenseits der Rocky Mountains. Die Menschen in jener «Wildnis» wurden seine Lehrmeister. Er dokumentierte Härte und Romantik im Alltag der Cowboys, Siedler, Trapper, Soldaten und Ureinwohner. Mit dem «Bronco Buster» erschuf der 130 Kilo schwere Lebemann eine Ikone der amerikanischen Kunst und prägte mit den Illustrationen, die wöchentlich in «Harper’s Weekly» erschienen, massgeblich das Bild des Wilden Westens und der späteren Popkultur.
Ähnlich wie neue Päpste mit der Wahl des Papstnamens Absichten und Prioritäten kundtun, sind auch Gemälde und Skulpturen im Oval Office weit mehr als blosse Einrichtungsgegenstände.
Auch Churchill feiert ein Comeback im Chefbüro
George W. Bush (US-Präsident 2001–2009) stellte eine Churchill-Büste in sein Büro, Barack Obama (2009–2017) entfernte sie, Donald Trump (2017–2021) stellte sie wieder auf, Joe Biden (2021–2025) verbannte sie wieder in den Keller, Donald Trump holte sie im Januar 2025 wieder ins Büro. Und er liess ein Gemälde von Andrew Jackson (1767–1845) an die Wand hängen, das Porträt eines Präsidenten, der einem menschlichen Bulldozer gleich kaum einen Stein auf dem anderen liess, sich mehrfach duellierte, brutale Schlachten gegen amerikanische Ureinwohner führte, ein Attentat überlebte und aussenpolitisch wenig Interesse zeigte, sieht man von seinem Wunsch ab, dass sich das damals souveräne Texas den Vereinigten Staaten anschliesst.
Auch die Teppiche werden jeweils nicht verschont. Obama liess ein Zitat von Martin Luther King Jr. einweben, Bill Clinton eine Sonne, George W. Bush ein Sternenmuster und Donald Trump wählte, wenig überraschend, einen goldfarbenen Teppich.
Das Oval Office war nie bloss das Büro des mächtigsten Mannes der Welt. Es war stets auch eine Bühne, die Wahl der Dekoration eine Inszenierung, eine Botschaft an die Nation und die Welt.
Joe Biden entsorgte den Pferdezähmer
Es kommt somit nicht von ungefähr, dass der «Bronco Buster» die meisten Präsidenten überlebte. Denn Freiheit, Kampf, Stärke, Dominanz und Durchhaltevermögen sind auch die Werte im Land der Tellerwäscherkarrieren. Theodore Roosevelt (1858–1919) brachte seinerzeit die Skulptur erstmals ins Oval Office. Sein Nachfolger entfernte sie wieder. Erst mit Lyndon B. Johnson kehrte sie zurück, und Gerald Ford, Jimmy Carter, Ronald Reagan, Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump, sie alle haben den Pferdezähmer behalten. Bis auf Joe Biden. Vielleicht erinnerte ihn die Skulptur zu sehr an seinen unzähmbaren Sohn Hunter.