Darum gehts
- US-Amerikaner festgenommen nach Betreten der verbotenen North Sentinel Island
- Sentinelesen leben isoliert und reagieren aggressiv auf Fremde
- Stamm überlebte Tsunami 2004 und hat etwa 60'000 Jahre alte Wurzeln
Manche Menschen brauchen besonders viel Nervenkitzel. Anders kann man sich die Aktion von Mychajlo Viktorowytsch Poljakow (24) wohl nicht erklären.
Der US-Amerikaner wurde nach Angaben der indischen Polizei festgenommen, weil er die North Sentinel Island im Indischen Ozean verbotenerweise betreten hat. Er brachte dem dort lebenden Stamm eine Diät-Cola und eine Kokosnuss vorbei.
Sentinelesen hassen Unbekannte
Das Problem: Um die Insel hat die indische Regierung einen Sicherheitsabstand von fünf Kilometern eingerichtet. Nicht ohne Grund.
Die Bewohner der Insel leben weitestgehend von der Aussenwelt abgeschnitten. Fremde können sie nicht leiden. Nähert sich ein Unbekannter ihrem Territorium, greifen sie zu den Waffen. Die Sentinelesen, wie die Einwohner der Insel genannt werden, töteten 2018 sogar einen US-Missionar (†27).
Tsunami 2004 überlebt
Die Sentinelesen gelten als direkte Nachfahren der ersten Menschen, die vor etwa 60'000 Jahren aus Afrika auswanderten und die Inselgruppe der Andamanen, zu denen North Sentinel Island gehört, besiedelten. Der Stamm wurde 1771 erstmals schriftlich erwähnt, als ein britisches Schiff «eine Vielzahl von Lichtern» auf der Insel sah.
Schon damals waren die Inselbewohner keine Freunde von Eindringlingen. Im Oktober 1867 sank das indische Handelsschiff Nineveh auf dem Riff vor der Insel. Alle Passagiere und die Besatzung konnten sich auf das Eiland retten. Nach drei Tagen wurden sie jedoch plötzlich von den Inselbewohnern mit Pfeilen angegriffen. Es kam zum Kampf, die Reisegruppe schlug die Angreifer mit Stöcken und Steinen in die Flucht. Schliesslich wurde sie von der britischen Royal Navy gerettet.
Bis zu den 2000er-Jahren wurde die Insel vor allem von britischen Kolonialverwaltern und Anthropologen besucht. Die Kontaktversuche wurden etliche Male mit Feindseligkeiten beantwortet. 2006 töteten die Sentinelesen zwei indische Fischer, 2018 bezahlte der US-Amerikaner John Allen Chau den Versuch, die Sentinelesen zum Christentum zu bekehren, mit dem Tod. Den verheerenden Tsunami von 2004 überlebte der Stamm, in dem sich die Mitglieder auf höher gelegenes Gebiet zurückzogen.
Weil die Sentinelesen so abgeschieden leben, kann der Kontakt zur Aussenwelt für sie tatsächlich gefährlich werden. Sie sind nämlich gegen moderne Krankheiten nicht immun. Als die Briten 1880 ein älteres Paar und vier Kinder gefangen nahmen und verschleppten, starben der Mann und die Frau bereits kurz nach der Ankunft in der Andamanen-Hafenstadt Port Blair. Auch die Kinder wurden krank – und schnell zurückgebracht. Die Stammesmitglieder ernähren sich bis heute steinzeitlich – von Pflanzenknollen, Wildschweinen, Schildkröten, Bienenhonig und Fisch.