Über 730 Tote. Über 3300 Verhaftungen: Die brutale Niederschlagung des Aufstands nach dem Militärputsch in Myanmar trifft den deutschen Bestsellerautoren Jan-Philipp Sendker (61) besonders. Er hat das asiatische Land in 25 Jahren 30 Mal besucht und die Roman-Trilogie «Herzenhören», «Herzenstimmen» und «Das Gedächtnis des Herzens» geschrieben, die in seiner zweiten Heimat spielt.
Im Interview mit Blick spricht er über die Angst um seine Freunde, seinen mutigen Aufruf an das Militär, seinen Wunsch, möglichst bald wieder nach Myanmar zu reisen sowie über seine Gedanken über ein neues Burma-Buch.
Blick: Sie vermitteln in Ihren Büchern von Myanmar ein vorwiegend romantisches Bild. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das brutale Vorgehen der Militärregierung sehen?
Jan-Philipp Sendker: Ich bin entsetzt, wütend und empört darüber, was den Menschen angetan wird. Ich habe Angst um meine Freunde.
Kennen Sie Leute, die betroffen sind?
Es ist praktisch jede und jeder betroffen. Viele müssen Angst um ihr Leben haben, andere leiden, weil die Preise für Grundnahrungsmittel enorm steigen und das Internet ausgeschaltet wird. Ich kenne persönlich mehrere Menschen, die um ihr Leben fürchten und in den Untergrund abtauchen mussten.
Der in Hamburg geborene Jan-Philipp Sendker (61) begann schon als Jugendlicher, Romane zu schreiben. Ab 1987 arbeitete er als Reporter beim «Stern», später wurde er zuerst Amerika- und dann Asienkorrespondent.
Bekannt wurde er durch die Romane «Herzenhören», «Herzenstimmen» und «Das Gedächtnis des Herzens», die im früheren Burma spielen und monatelang auf Platz eins der Bestsellerlisten standen. Seine China-Triologie umfasst die Werke «Das Flüstern der Schatten», «Drachenspiele» und «Am andern Ende der Nacht».
Allein seine Burma-Bücher wurden gegen vier Millionen Mal verkauft und in über 35 Sprachen übersetzt, auch auf Burmesisch. Sendker ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Potsdam bei Berlin.
Der in Hamburg geborene Jan-Philipp Sendker (61) begann schon als Jugendlicher, Romane zu schreiben. Ab 1987 arbeitete er als Reporter beim «Stern», später wurde er zuerst Amerika- und dann Asienkorrespondent.
Bekannt wurde er durch die Romane «Herzenhören», «Herzenstimmen» und «Das Gedächtnis des Herzens», die im früheren Burma spielen und monatelang auf Platz eins der Bestsellerlisten standen. Seine China-Triologie umfasst die Werke «Das Flüstern der Schatten», «Drachenspiele» und «Am andern Ende der Nacht».
Allein seine Burma-Bücher wurden gegen vier Millionen Mal verkauft und in über 35 Sprachen übersetzt, auch auf Burmesisch. Sendker ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Potsdam bei Berlin.
Warum hat das Militär nach mehreren Jahren der Öffnung wieder geputscht?
Wie oft im Leben geht es um Macht, Geld und Eitelkeit. Die Militärs haben seit den 1960er-Jahren enorme Verbrechen an der Bevölkerung begangen und sich Reichtümer angehäuft. Ich glaube, sie haben Angst davor, dass sie nach den Wahlen vom Herbst diese Reichtümer und Macht verlieren werden – und dass jemand kommt, der sie zur Rechenschaft ziehen wird.
Glauben Sie, dass die Militärregierung die gestürzte Regierungschefin Aung San Suu Kyi umbringen wird?
Sie steht in ihrer Villa unter Hausarrest und ist abstruser Vergehen angeklagt. Dem Militär geht es einfach darum, sie auszuschalten. Ich glaube aber nicht, dass sie um ihr Leben fürchten muss.
Haben Sie noch Kontakt mit Ihren Journalistenkollegen?
Myanmar war das freiste Land in der ganzen Region, mit freien Medien. Heute gibt es eine radikale Zensur, viele Medien haben ihre Lizenz verloren. Ich kenne mehrere Berufskollegen, die sich im Untergrund verstecken müssen, weil sie sonst verhaftet würden. Wegen des fehlenden Internets kann ich kaum mehr Kontakt mit ihnen aufnehmen.
Ihre erfolgreichen Romane spielen in Burma, wie Myanmar früher hiess. Was fasziniert Sie an diesem Land?
Als Asienkorrespondent für den «Stern» plante ich 1995 eine Reportage darüber, wie sich das für uns unbekannte Land touristisch öffnen wollte. Es war eine Zeitreise: Ich erreichte Yangon von Bangkok aus in einer Flugstunde, hatte auf dieser Strecke aber 80 Jahre in die Vergangenheit zurückgelegt. Faszinierend!
Was haben Sie gesehen?
Es gab keine Fernseher, kaum Autos, keine Telefone. Die Menschen wussten nichts von uns, wir nichts von ihnen. Ich war aber überwältigt von den Menschen, mit welcher Kraft, Hingabe, Tapferkeit und auch Demut sie ihr schwieriges Leben meisterten, ohne sich zu beschweren. Ich habe nie einen Burmesen getroffen, der sich selbst bemitleidet hat.
Man sieht auch kaum Myanmaren, die nicht lächeln …
Sie lächeln aus mehreren Gründen: aus Freude, aus Angst, aus Unsicherheit, manchmal, weil sie wütend sind. Ich musste zuerst lernen, wie ich das Lächeln interpretieren sollte.
Erstaunt es Sie nicht, dass sich diese freundlichen Menschen nun überhaupt getrauen, sich gegen eine brutale Militärherrschaft zu erheben?
Jein. Es gab schon mehrere Aufstände gegen das Regime, die aber alle relativ schnell vorüber waren. Es berührt mich nun tief, mit welchem Mut der Verzweiflung und in welcher Breite und Menge sich die Menschen erheben. Beim Betrachten der Bilder hatte ich Hühnerhaut und Tränen in den Augen.
Bevor die Militärregierung die offizielle Regierung stürzte, erlebte das Land einen enormen Fortschritt. Wie haben Sie den mitbekommen?
Es hat in den vergangenen zehn Jahren einen enormen Schritt nach vorn gemacht. Es gibt jetzt nicht nur eine hervorragende Internetverbindung, gute Strassen und neue Stadtteile; das Land hat sich auch gegenüber der Welt geöffnet. Die Menschen wollten lernen und verfügten plötzlich über Möglichkeiten, von denen die Generationen zuvor nur zu träumen gewagt hätten. Sie durften wählen, sich organisieren. Die jahrelange Angst war plötzlich weg.
Was muss passieren, damit wieder Friede einkehrt?
Der Ball liegt am ehesten bei den asiatischen Nachbarstaaten, die auf die Regierung Einfluss nehmen müssten. Das westliche Ausland darf die Junta auf keinen Fall anerkennen, sondern muss mit der zivilen Untergrundregierung zusammenarbeiten, die sich gebildet hat.
Wie unterstützen Sie selbst die Myanmaren?
Ich habe einen offenen Brief an das Militär geschrieben und an das Gewissen der Soldaten appelliert. Ich habe sie aufgefordert, in die Luft statt auf ihre Landsleute zu schiessen. Wer weiss, vielleicht haben es ja einige auch gemacht.
Wie war die Reaktion auf Ihr Schreiben?
Überwältigend. Es wurde sofort ins Burmesische übersetzt und geteilt.
Haben Sie Hoffnung für Myanmar?
Ich glaube, dass der Putsch der Anfang vom Ende der Militärherrschaft sein wird. Es wird kein Zurückgehen in den Status quo geben. Irgendeinmal wird das Militär die Macht verlieren, weil es merkt, dass es auf der falschen Seite der Geschichte steht. Aber das kann dauern. Die nächsten zwei Jahre werden für Burma sehr schwierig.
Wann, denken Sie, werden Sie wieder nach Myanmar reisen?
Am liebsten morgen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob man mich wegen meines Engagements in absehbarer Zeit wieder reinlässt.
Vor allem Frauen berühren Sie mit Ihren Romanen aus Burma am Herzen. Viele haben das Land nach der Lektüre bereist. Warum zieht das Land gerade Frauen derart in seinen Bann?
Das kann ich nicht sagen. Das müssten Sie wahrscheinlich die Frauen fragen.
Wird es nun ein weiteres Buch über Myanmar geben?
Ich hatte nicht vor, weitere Bücher über Myanmar zu schreiben. Doch die neusten Ereignisse bringen mich ins Grübeln. Entschieden ist noch nichts, aber ich denke auf jeden Fall darüber nach!