Auf dem T-Shirt von Ma Kyal Sin (†18) steht: «Alles wird gut». Sie trug es am Mittwoch bei einem Protest gegen die Militärjunta in Myanmar. Wenig später ist sie tot. Ein präziser Kopfschuss beendete ihr Leben.
Ihr Vater habe sie zum Abschied noch umarmt, schreibt die «New York Times». Dann zog die Teenagerin los, um an vorderster Front friedlich gegen die Machtergreifung des Militärs zu protestieren. Als dieses zu den Waffen greift, weicht die Menge zurück, so auch Ma Kyal Sin.
Fotos zeigen, wie der Teenager wegrennt – im Hintergrund Rauchschwaden. Auf dem nächsten Bild liegt sie auf einer Liege, ihr Gesicht voll mit Blut. Jemand versucht, sie zu reanimieren. Es ist jedoch zu spät.
Ma Kyal Sin muss gewusst haben, dass für sie vielleicht nicht alles wieder gut werden würde. Denn wie die Nachrichtenagentur «Reuters» schreibt, habe sie zuvor ihre Blutgruppe, eine Kontaktnummer und die Bitte, ihr Blut im Falle ihres Todes zu spenden, hinterlegt.
Frauen an vorderster Front
Eine ihrer engsten Freundinnen, Ma Cho Nwe Oo, war ebenfalls vor Ort. «Sie ist eine Heldin für unser Land», sagt sie über die Verstorbene. «Indem wir Teil der Revolution sind, zeigt unsere Generation an Frauen, dass wir genauso mutig sind wie die Männer.»
Denn trotz der Risiken sind zahlreiche Frauen in Myanmar unter den Demonstranten. Damit trotzen sie den Generälen, welche die Staatschefin Aung San Suu Kyi (75) vor rund einem Monat absetzten. Die Frauen protestieren gegen die Rückkehr einer patriarchalen Ordnung und Unterdrückung durch das extrem konservativ eingestellte Militär.
Ma Kyal Sin‘s Todestag ist der bisher blutigste seit Beginn der Proteste gegen den Militärputsch. Laut den Vereinten Nationen sind allein am Mittwoch mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen. Neben Kyal Sin waren drei weitere Mädchen darunter – auch das erste Opfer des Militärputschs war eine junge Frau. Zudem sind im vergangenen Monat mindestens drei Kinder durch Schüsse getötet worden.
«Wir sorgen uns nicht um unser Leben»
Doch obwohl das Land trauert und den Opfern gedenkt, gehen die Proteste am Donnerstag weiter. Yin Yin Hnoung (28) entkam den Kugeln des Militärs nur knapp. Trotzdem wird sie nicht aufhören, wie sie der «New York Times» erklärt: «Junge Frauen führen jetzt die Proteste an, weil wir nicht zulassen können, dass die nächste Generation zerstört wird. Wir sorgen uns nicht um unser Leben. Wir sorgen uns um unsere zukünftigen Generationen.»
Auch Wai Wai (45) zeigt sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur am Telefon entschlossen: «Wir müssen für Gerechtigkeit kämpfen und auch für die Seelen, die wir wegen dieser terroristischen Armee verloren haben.»
Militärputsch vor rund einem Monat
Das Militär hatte vor rund einem Monat gegen die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi (75) geputscht und sie unter Hausarrest gestellt. Als Grund nannten die Generäle Unregelmässigkeiten bei der Parlamentswahl vom November. Suu Kyi gewann damals mit klarem Vorsprung.
Seit Wochen gehen die Menschen in Myanmar deswegen auf die Strasse. Die Demonstranten fordern die Wiedereinsetzung der Staatschefin, die im Land äusserst beliebt ist. Man fürchtet ausserdem eine vollständige Übernahme der Autorität durch die extrem konservativen Generäle.
«Trotz all dieses brutalen Schiessens und der Tötungen werden wir weitermachen, ohne auch nur einen Tag Pause zu machen. Wir sehen uns morgen!», schrieb Maung Saungkha, einer der Anführer der Proteste, auf Facebook. Damit geht der Kampf für die Demokratie in Myanmar weiter. (aua)