Trump, der grosse Friedensstifter. In dieser Rolle sieht er sich offenbar, wenn er im November erneut zum US-Präsidenten gewählt würde. Wie die «Washington Post» berichtet, soll er einen «geheimen Plan» haben, mit dem er den Krieg in der Ukraine innerhalb 24 Stunden beenden möchte.
In Privatgesprächen habe Trump laut der Zeitung gesagt, er würde Kiew unter Druck setzen, die besetzte Krim und die Grenzregion Donbas an Russland abzutreten. Trumps Druckmittel ist bekannt: Er würde die Waffenlieferungen, auf die die Ukraine angewiesen ist, versiegen lassen. Würde es Trump wirklich schaffen, Frieden zu stiften? Die Meinungen der Experten sind überraschend.
Thiele: «Dieser Plan ist nicht unmöglich»
Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland, hält Trumps Plan für «nicht unmöglich», insbesondere weil er von der Weltmacht USA angegangen würde. Werde der Krieg wie bisher fortgesetzt, würden alle Beteiligten «grossen Schaden nehmen». Thiele: «Trump hat keine Berührungsängste. Er ist ein Dealmaker und bietet auch einem Putin nicht nur Sanktionen, sondern auch Nutzen an.»
Wegen seiner geringen sicherheitspolitischen Erfahrung könne sich Trump unter Umständen hemmungsfrei über wichtige strategische Bedenken seiner Berater hinwegsetzen. «Das ist für die Putins, Kims und Xis dieser Welt eine beachtliche Gelegenheit, die sie als versierte Akteure nutzen werden.»
Schmid: «Eine Propaganda-Behauptung»
Trump hatte schon früher behauptet, dass unter seiner Präsidentschaft Russland die Ukraine nicht angegriffen hätte. «Das ist allerdings sehr zweifelhaft», sagt Ulrich Schmid (58), Russland-Experte an der Uni St. Gallen. «Dass er nun mehrfach sagt, er könne den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden, ist eine Propagandabehauptung, die im Kontext seines Kampfs um eine Rückkehr ins Weisse Haus zu sehen ist.»
Trumps «Land-gegen-Frieden-Deal» sei weder neu noch erfolgversprechend, weil er in der Ukraine keine politische Chance hätte und den Kreml für militärische Aggressionen belohnen würde. Schmid: «Trump überschätzt seine Möglichkeiten als Dealmaker.»
Brühwiler: «Würde Trump auch andere Annexionen tolerieren?»
Claudia Brühwiler (41), USA-Expertin an der Uni St. Gallen, hält das Szenario, dass Trump einen solchen Plan zücken könnte, für realistisch. «Trump liebäugelt mit dieser Strategie, weil er Russland aus dem chinesischen Einflusskreis lösen will.»
Trumps Plan bezeichnet sie als Triumph für Putin, da der Kreml «gesichtswahrend» einlenken und gleichzeitig grosse Gebietsgewinne verzeichnen könnte. Brühwiler: «Zudem käme die Frage auf, ob die USA auch die Annexion von Gebieten durch andere Mächte einfach tolerieren würden. Die Rolle der USA als internationale Ordnungsmacht steht so auf dem Spiel.»
Jäger: «Trump hat überhaupt keinen Einfluss auf Russland»
Thomas Jäger (63), Professor für Internationale Politik an der Uni Köln, hält nichts von Trumps Plan. Die Idee scheitere an den russischen Zielen und am ukrainischen Verteidigungswillen. «Vor allem aber hat Trump überhaupt keinen Einfluss auf Russland, das mit der Annexion von Krim und Donbas nicht zufrieden sein kann.» Russland kämpfe nicht um Land, sondern um die politische Dominanz in Europa. Trump hätte keine Möglichkeit, Putin von diesem Ziel abzubringen.
Makhortykh: «Nur Putin kann den Krieg in 24 Stunden stoppen»
Für den Ukrainer Mykola Makhortykh (36), Experte für russische Desinformation an der Uni Bern, ist eine Abtretung von Land inakzeptabel. «Sie macht nicht nur alle Opfer des ukrainischen Volkes zunichte, sondern fördert auch die Fortsetzung des Konflikts. Sie würde zeigen, dass Russland seinen Nachbarn angreifen, seine Wirtschaft zerstören, Millionen von Menschen in die Flucht treiben, zahlreiche Kriegsverbrechen begehen und damit davonkommen kann.»
Es müsse einen nachhaltigen Frieden geben, der garantiere, dass Russland die Ukraine nicht wieder angreifen werde. Der einzige, der innerhalb 24 Stunden für Frieden sorgen könne, sei Putin selber.
Berni: «Ein Wahlkampf-Manöver»
Marcel Berni (35), Militärexperte an der ETH Zürich, betrachtet Trumps Plan vor allem als Wahlkampf-Manöver, um eine klare Alternative zur Biden-Regierung zu offerieren. Indem Trump schon jetzt solche Zugeständnisse an Russland mache, untergrabe er jedoch eine ausgewogenere Verhandlungslösung. Berni: «Darüber hinaus birgt Trumps Vorgehen die Gefahr, die Glaubwürdigkeit der USA, ja des Westens, weiter zu untergraben.»