Wenn Sie diese Zeilen lesen, weilt US-Präsident Joe Biden (78) noch in der englischen Grafschaft Cornwall – beim ersten persönlichen Treffen der G-7-Staaten seit 2019; damals stand noch Rüpel-Präsident Donald Trump (74) an der Spitze der USA.
Biden will die Reihen mit den demokratischen Verbündeten schliessen, eine gemeinsame Linie gegen den geopolitischen Rivalen China finden – und gegen Russland. Nach einem Besuch bei Königin Elizabeth II. (95) auf Schloss Windsor und bei der Nato in Brüssel geht es schliesslich nach Genf. Dort trifft er sich am Mittwoch mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin (68).
Die Ausgangslage ist heikel. Nicht mal Botschafter sind im jeweils anderen Land mehr vor Ort. Vor drei Monaten zog Moskau seinen Vertreter in den USA ab, nachdem Biden Putin in einem TV-Interview einen «Killer» genannt hatte. Der US-Botschafter in Russland hat Moskau auf entsprechenden Druck hin vor zwei Monaten verlassen.
Die Beziehung der beiden Grossmächte ist auf einem Tiefpunkt, zuletzt war sie wohl zu Sowjetzeiten so schlecht wie heute. «Leider wäre es schon ein Erfolg, wenn es einfach nicht weiter eskaliert», sagt der Sicherheitsexperte Benno Zogg von der ETH zu SonntagsBlick. Entsprechend erwartungsvoll schaut die Welt diese Woche nach Genf. Wir verraten Ihnen, was Sie rund um das Toptreffen wissen müssen.
Die Themen
Ein Erfolg wäre schon die Neu-Entsendung der beiden Botschafter. Ansonsten werden Abrüstung, Ukraine-Konflikt und Belarus-Krise voraussichtlich die grossen Themen sein. Beide Atommächte haben ein Interesse daran, die atomare Aufrüstung von Ländern wie Iran oder China einzudämmen. Auch Konfliktthemen werden wohl nicht ausgespart.
Bei seiner Landung in Europa kündigte Biden an: Er werde nach Genf reisen «um sich mit Herrn Putin zu treffen und ihn wissen zu lassen, was ich ihm sagen will». Die USA suchten keinen Konflikt mit Russland. «Wir wollen eine stabile, berechenbare Beziehung. Unsere beiden Nationen teilen eine unglaubliche Verantwortung, darunter die Gewährleistung strategischer Stabilität und die Einhaltung von Rüstungskontrollvereinbarungen.»
Das Vorbild
Genf brachte 1985 den Wendepunkt im Kalten Krieg. Michail Gorbatschow (90) – damals Generalsekretär der Kommunistischen Partei und damit die Nummer eins in der Sowjetunion – und US-Präsident Ronald Reagan (1911–2004) trafen sich, um über die atomare Abrüstung und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu sprechen.
In einer gemeinsamen Abschlusserklärung einigten sich Reagan und Gorbatschow auf einen Kompromiss. Und auf den zentralen Satz, dass «ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals ausgefochten werden darf».
Die Gastgeberin
Die Schweiz pflegt zu beiden Staaten ein gutes Verhältnis: Im Rahmen ihrer guten Dienste vertritt sie die Interessen der USA im Iran und die Interessen Russlands in Georgien. Sie hat mächtig lobbyiert, um den Gipfel in die Schweiz zu holen. Das bringt auf dem internationalen Parkett Prestige – und den Bonus, dass auch ein bilaterales Treffen mit den Staatschefs drinliegt.
Der Genfer Regierungsrat Serge Dal Busco (62) darf Biden und Putin auf dem Rollfeld des Flughafens begrüssen. Auch ein Treffen der Bundesräte Ignazio Cassis (60) und Guy Parmelin (61) mit dem US-Präsidenten sowie eines mit dem russischen Staatspräsidenten ist bereits bestätigt. Was als Geschenk überreicht wird, ist noch nicht bekannt.
Der Verhandlungsort
Diesmal soll der «Geist von Genf» in der Villa La Grange wirken. Das herrschaftliche Gebäude aus dem 18. Jahrhundert steht im Parc de La Grange mit seinen Mammutbäumen, Rosensträuchern und alten Brunnen direkt am Genfersee – und ist wegen des hochrangigen Treffens noch bis zum 18. Juni gesperrt.
Ab Dienstag wird die Zufahrtsstrasse neu gestaltet, damit rund 30 Autos der Delegationen parkieren können. Darüber hinaus wird ein Platz für die Helikopter der beiden Staatsoberhäupter eingerichtet.
Die Unterkünfte
Die amerikanische Delegation wird wie schon beim historischen Gipfel 1985 im Intercontinental absteigen. Das klobige, aber geschichtsträchtige Fünf-Sterne-Hotel liegt in unmittelbarer Nähe zu den Vereinten Nationen. Wladimir Putin kommt voraussichtlich nur am Mittwoch nach Genf.
Falls er doch übernachtet, kommen zum Beispiel das Mandarin Oriental (in chinesischer Hand) oder das Four Seasons (in kanadischer Hand) infrage. Auch die russische Botschaft in Genf hat Unterbringungsmöglichkeiten.
Die Frauen
Jill Biden (70) wird ihren Ehemann nicht begleiten, wie das Weisse Haus am Freitag mitteilte. Die Lehrerin mit Doktortitel, die die Schweiz bereits als «Second Lady» 2014 besuchte, reist nach dem Besuch bei der Queen schon am Sonntag zurück.
Möglicherweise, weil auch Wladimir Putin voraussichtlich solo kommt. Der russische Präsident ist geschieden. Seine Langzeitfreundin ist laut Medienberichten die ehemalige Sportgymnastin Alina Kabajewa (38).
Die Entourage
Mit Biden reisen Protokollchefin Asel Roberts (45) sowie der aus Russland aktuell abgezogene US-Botschafter John Sullivan (61). Auch Putin bringt möglicherweise den aus den USA abgezogenen russischen Botschafter Anatoli Antonow (66) mit.
Beide Präsidenten werden ausserdem von ihren jeweiligen Aussenministern begleitet: Antony Blinken (59) und Sergei Lawrow (71), die sich erst vor drei Wochen in Island trafen. Dabei ging es unter anderem um den inhaftierten Kremlgegner Alexei Nawalny (45) und Russlands Militäraufmärsche in und nahe der Ukraine.
Die Sicherheit
Während des Gipfels der beiden Grossmächte ist die Schweizer Armee in Alarmbereitschaft. Bis zu tausend Armeeangehörige werden am Boden die zivilen Behörden unterstützen. Der Luftraum wird eingeschränkt. Zusätzlich wird die Luftwaffe den Luftpolizeidienst und die Luftraumüberwachung verstärken.
Und auch auf dem Wasser wird die Armee in Bereitschaft stehen. Dabei kommen die neuen Patrouillenboote P 16 zum Einsatz, die in Finnland entworfen und zum Teil bei der Shiptec AG in Luzern zusammengebaut worden sind. Ihren Heimathafen haben sämtliche Boote der Motorbootkompanie 10 beim Zeughaus in Brugg AG. Von da aus werden sie auf der Strasse zum Einsatzort transportiert.