In der Schweiz und vielen anderen Ländern atmet man auf: Die Pandemie, die uns zwei Jahre gegeisselt hat, dürfte vermutlich bald für beendet erklärt werden. Nächste Woche wird der Bundesrat bekannt geben, wie weit er mit den Lockerungen der Massnahmen ab 17. Februar gehen will.
Am Freitag kündigten auch die Niederlande an, am 18. Februar trotz hoher Infektionszahlen die meisten Massnahmen zu lockern und Stadien, Theater, Kinos und Gaststätten fast uneingeschränkt wieder freizugeben.
Was aber passiert in unserem nördlichen Nachbarland? In Deutschland steht der sozialdemokratische Gesundheitsminister Karl Lauterbach (58) mit voller Kraft immer noch auf die Bremse. Der «Angstminister», wie er inzwischen genannt wird, will von Lockerungen nichts wissen.
Immer wieder neue Argumente
In den vergangenen Tagen warnte er noch davor, dass die Kliniken überlastet werden könnten. «Dass die Pandemie mit Omikron vorbei ist, halte ich für ausgeschlossen», sagte er. Doch die Lage in den Spitälern hat sich entspannt.
Nun kommt er mit neuen Argumenten. «Bei uns sterben derzeit zwischen 100 und 150 Menschen am Tag – immer noch zu viele», sagte er. Und am Dienstag warnte er im ZDF, dass es täglich 400 bis 500 Tote geben könnte, wenn die Massnahmen gelockert würden.
Zum Vergleich: In der Schweiz, die rund zehnmal weniger Einwohner aufweist als Deutschland, sterben zurzeit im Schnitt 15 Menschen täglich an Corona. Das sind im Verhältnis etwa gleich viele wie in Deutschland.
Viele wollen Lockerungen
Für seine Bremstaktik muss Lauterbach Kritik einstecken. Er stifte mit «immer neuen Ideen und Vorgaben» Unsicherheit, meinte Thorsten Frei (48), Erster Parlamentschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (51) sagt in der «Bild»: «Lauterbachs ständige Suche nach dem nächsten Argument muss ein Ende haben.» Das Gesundheitssystem stosse erkennbar nicht an Belastungsgrenzen, die Omikron-Verläufe seien mild, die Zustimmung zu restriktiven Massnahmen sinke deutlich.
Dobrindt: «Herr Lauterbach sollte endlich den Weg zurück in die Normalität beschreiben und nicht über erfundene Todeszahlen referieren.»
Kinder in Quarantäne
Auch in Brüssel schüttelt man den Kopf. Daniel Caspary (45), Chef der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, spricht von einer «sinnlosen Extrawurst», die bezeichnend sei für die «hilflose Corona-Politik von Karl Lauterbach».
Diese Kritik richtet sich vor allem gegen den Alleingang Deutschlands bei der Kinderquarantäne nach Reisen aus anderen EU-Ländern. Wider die Empfehlung der EU schickt Lauterbach nicht vollständig geimpfte Kinder unter zwölf Jahren für mindestens fünf Tage in Quarantäne – selbst wenn sie gesund sind.
Scholz spricht Machtwort
Doch Lauterbach gibt nicht auf. Er wehrte sich auf Twitter und schrieb, er werde dafür kritisiert, dass er «das nicht gerne Gehörte, aber Offensichtliche» sage. Und er fügte an: «Omikron-Wunschdenken hilft nicht.»
Nun greift SPD-Kanzler Olaf Scholz (63) in den Streit ein. Am Freitag hat er ein Machtwort gesprochen und angekündigt, dass er beim nächsten Treffen mit den Bundesländern am Mittwoch weitere Schritte einleiten wolle.
Und die Zeichen stehen auf Öffnung. Scholz: «Die wissenschaftlichen Prognosen zeigen uns, dass der Höhepunkt der Welle in Sicht ist. Das erlaubt uns, beim Bund-Länder-Treffen in der nächsten Woche einen ersten Öffnungsschritt und dann weitere für das Frühjahr in den Blick zu nehmen.»