Das Feuer brach um 2.35 Uhr in der Nacht auf Sonntag aus: Im Nachtclub Pulse spielte die in Nordmazedonien beliebte Hip-Hop-Band DNK. Rund 1500 hauptsächlich junge Leute sollen sich zu diesem Zeitpunkt im Club aufgehalten haben, obwohl nur 250 zugelassen wären. 59 Menschen sind ums Leben gekommen. Die Toten, die im Krankenhaus von Kocani identifiziert wurden, seien alle zwischen 14 und 24 Jahre alt gewesen, sagte dessen Direktorin. 155 Personen wurden mit Verbrennungen oder schweren Rauchvergiftungen in Krankenhäuser gebracht.
Blick sprach mit Daniel Braun (48) über die politischen Folgen der Katastrophe. Er leitet das Auslandsbüro der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Hauptstadt Skopje. Er sagt: «Der Brand ist auch für mich, der seit mehr als vier Jahren im Land lebt, erschütternd.» Weil Nordmazedonien klein sei, kenne auch er Eltern, die jetzt Kinder verloren haben. «Auch wenn ich im Land nur Gast bin, ist es etwas, das einen persönlich berührt.» Für Blick ordnet Braun ein, was das Unglück politisch für Auswirkungen haben kann. Und warum im Land simpelste Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten werden. Der Innenminister Nordmazedoniens sagt, dass die Tragödie mit Bestechung und Korruption zu tun haben könne.
«Nichtbeachtungsmentalität von simpelsten Sicherheitsvorschriften»
Ausgelöst wurde das Feuer durch eine für Lichteffekte eingesetzte Funkenmaschine. Die Funken hätten eine Deckenkonstruktion entzündet, so der Innenminister Pance Toskovski (42) bei einer Pressekonferenz in Kocani, einer Stadt mit 25’000 Einwohnern. Der Nachtclub befand sich in einem alten Gebäude, das früher als Teppichlager diente – und hatte keine Betriebsgenehmigung mehr. «Wir haben Grund zur Annahme, dass es in diesem Fall um Bestechung und Korruption geht», sagte der Innenminister.
«Es muss gar nicht um Korruption im grossen Stil gehen», sagt Daniel Braun. Es gebe in Nordmazedonien eine gewisse «Nichtbeachtungsmentalität von simpelsten Sicherheitsvorschriften».
Braun glaubt deshalb nicht, dass es bei Korruption rund um den Nachtclub um sehr viel Geld gegangen sei. Die Korruption im Land habe auch nicht direkt mit der aktuellen Regierung zu tun, sondern basiere auf einer Einstellung im Land, die es beim Umgang mit «blöden Regeln» nicht allzu genau nimmt. Diese Haltung ziehe sich durch alle Gesellschaftssegmente.
Bereits 15 Verhaftungen
Die Behörden leiteten eine Untersuchung wegen Korruption ein, in der über 20 Personen verdächtigt werden, darunter der Sohn des Nachtclubbesitzers und der Direktor der Firma, die den Club betrieb. Laut Innenminister Toskovski wurden bereits 15 Personen festgenommen, die anderen Verdächtigen seien im Spital oder gestorben.
Die Regierung hat eine siebentägige Staatstrauer angeordnet. «In diesen Momenten tiefer Trauer sind unsere Gedanken bei denen, die ihre Lieben verloren haben», schrieb Ministerpräsident Hristijan Mickoski (47) auf X. Seine Regierung werde alles Nötige tun, um die Folgen der Tragödie zu bewältigen und ihre Ursachen zu ermitteln.
Klare Unterschiede zu Serbien
Im September 2021 waren bei einem Grossbrand auf einer Coronastation in einem Krankenhaus in Tetovo im Nordwesten Nordmazedoniens 14 Menschen ums Leben gekommen. Damals sei die Verantwortung stark hin und her geschoben worden, sagt Daniel Braun. Dies sei jetzt anders: Der Premierminister habe klar zum Ausdruck gebracht: «Wir haben hier ein Problem, das wir endlich angehen müssen.»
Im November löste der Einsturz eines frisch renovierten Bahnhofsvordachs in Novi Sad mit 15 Toten eine der grössten Protestwellen in der Geschichte des Nachbarlands Serbiens aus. In der Hauptstadt Belgrad waren gerade am Samstag wieder Hunderttausende auf die Strasse gegangen, um gegen Korruption zu demonstrieren.
Daniel Braun von der Konrad-Adenauer-Stiftung erwartet nicht, dass es aufgrund des Disco-Infernos nun in Nordmazedonien zu ähnlichen Protesten kommt. «In Serbien stehen Vucic und die ihm nahestehenden politischen Kräfte schon sehr, sehr lange unangefochten an der Macht.» In Nordmazedonien gebe es keine vergleichbare Machtkonzentration. Der Unmut richte sich stärker gegen die politischen Institutionen insgesamt, weniger gegen eine politische Kraft. «20 Minuten» berichtete am Montag, dass es in Kocani zu einer Demonstration kam – und dabei sogar ein Café des «Pulse»-Clubbesitzers gestürmt wurde.
Braun erwartet, dass die Behörden mindestens im Bereich der Veranstaltungen viel genauer hinschauen werden als bisher. Unklar sei jedoch, ob langfristig ein Kulturwandel gelinge. Dabei gehe es auch um die Frage, wie gut Staatsbedienstete ausgewählt und bezahlt werden. «Der Braindrain im Land ist gross», sagt Braun. Die Privatwirtschaft könne teils besser zahlen als der Staat. Auch deshalb sei Korruption auch mit kleineren Summen möglich.