Darum gehts
- Bauarbeiten am Titlis-Gletscher sorgen für Diskussionen und Kritik
- Titlisbahnen-CEO verteidigt Projekt, Glaziologe sieht es als vertretbar an
- Projekt «Titlis 3020» umfasst neue Bergstation auf 3020 Metern Höhe
Das Grossprojekt «Titlis 3020» bei Engelberg OW sorgt für Diskussionen. Der spektakuläre Plan, auf 3020 Metern Höhe eine neue Bergstation zu errichten, hat längst die Gemüter erregt – nicht zuletzt durch die Bauarbeiten direkt am Gletscher. Insbesondere die Videos, die Blick nun zugespielt wurden, werfen Fragen auf: Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie Baggerarbeiten im Bereich des Gletschers durchgeführt werden. Schweres Gerät kommt zum Einsatz, die Schaufel gräbt sich metertief ins Eis, reisst es weg. Passenderweise trägt ein Video den Titel: «Tschau Gletscher». Ein Informant sagt zu Blick: «Ich finde das unerhört. Wir hier in Engelberg lieben unseren Gletscher. Anstatt ihn zu schützen, macht man ihn noch mehr kaputt.» Es ist nicht das erste Mal, dass es Kritik an «Titlis 3020» gibt.
Umweltverbände wie Pro Natura und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz bemängelten schon länger den starken Eingriff durch das Projekt in die hochalpine Landschaft. Sie warfen den Verantwortlichen vor, mit dem Ausbau der touristischen Infrastruktur die letzten unberührten Gletschergebiete weiter zu verbauen und so wertvolle Naturräume zu zerstören. Arbeiten auf dem Gletscher sind dabei grundsätzlich heikel. So gab es wegen der Arbeiten für die Weltcup-Piste in Zermatt VS ein Gerichtsverfahren, weil vermeintlich der Gletscher beschädigt wurde.
«Wir schützen den Gletscher»
Norbert Patt, CEO der Titlisbahnen, verteidigt sein Projekt und die Arbeiten derweil vehement. Im Gespräch mit Blick erklärt er, dass die eigentlichen Bauarbeiten «nicht auf dem Gletscher, sondern ausschliesslich am Gletscherrand» durchgeführt werden. «Das ist ein grosser Unterschied. Aber Transporte oder Ähnliches kommen teilweise über den Gletscher», stellt Patt klar und weist darauf hin, dass an besagter Stelle lediglich Fundamente im Fels für die neue Bergstation erstellt würden. Der Gletscher selbst werde mit einem speziellen Vlies bedeckt, um den Wärmeeintrag zu minimieren und die Schmelze des Eises zu reduzieren.
Patt ist sich aber bewusst, dass solche Arbeiten im Hochgebirge unschön aussehen können. «Ein Bagger auf einem Gletscher wirkt immer negativ – das kann man nicht schönreden», räumt er ein, betont jedoch, dass die Baustelle Teil eines umfassend bewilligten Projekts sei, das alle rechtlichen und ökologischen Anforderungen erfülle. «Die Bevölkerung hat das Projekt mitgetragen, und wir haben ein strenges Verfahren durchlaufen.» Der Gletscher sei das Kapital seines Unternehmens. «Wir tun alles, damit er uns so lange wie möglich erhalten bleibt.»
Glaziologe schätzt die Aufnahmen ein
Matthias Huss von der ETH Zürich, renommierter Glaziologe und Experte für Gletscherforschung, zeigt sich in seiner Einschätzung differenziert. Er betont zwar, dass Bauarbeiten in der Nähe von Gletschern immer eine gewisse Sensibilität erfordern, doch sieht er das Projekt im Fall des Titlis als vertretbar an. «Grundsätzlich sind Bauarbeiten im Fels am Gletscherrand kein Problem für den Gletscher selbst. Und wenn es um die Erneuerung von Infrastruktur geht, die von den Touristen nachgefragt wird und die seit Jahrzehnten besteht, müssen solche Massnahmen ab und zu durchgeführt werden», erklärt Huss gegenüber Blick. «Alle Bautätigkeiten im Hochgebirge sind aber immer mit gewissen Risiken verbunden, zum Beispiel kann es zu Verschmutzungen am Gletscherrand kommen.»
Der grundsätzlichen Kritik der Umweltverbände dürfte dies aber auch nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Denn die Verbände kritisierten auch, dass das Projekt in einer Zeit des fortschreitenden Gletscherschwunds falsche Signale setze und den Schutzgedanken der Alpen untergrabe. Da spielt es keine Rolle, ob am Gletscherrand oder auf dem Gletscher gearbeitet wird.