Darum gehts
- Der Nationalrat will 13. AHV-Rente befristet über höhere Mehrwertsteuer finanzieren
- Mitte-links und das FDP/SVP-Lager haben unterschiedliche Vorschläge zur Finanzierung
- Die GLP setzte sich mit ihrem Modell durch
- Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat
Nächstes Jahr wird die 13. AHV-Rente zum ersten Mal ausbezahlt. 4 bis 5 Milliarden Franken zusätzlich kostet sie jedes Jahr. Die Finanzierung der «Dreizehnten» wird nun zum grossen Zankapfel zwischen den beiden Parlamentskammern in Bern.
Der Nationalrat wischt nämlich das Ständeratsmodell vom Tisch und setzt auf eine eigene Lösung: eine befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte bis Ende 2030. Der Normalsatz würde damit voraussichtlich ab 2028 von 8,1 auf 8,8 Prozent steigen. Die weiteren Schritte – allenfalls mit einem höheren Rentenalter – sollen erst mit der nächsten grossen AHV-Reform 2030 geklärt werden.
Durchgesetzt hat sich damit der Vorschlag von GLP-Nationalrat Patrick Hässig (46, ZH). «Es ist quasi der kleinste gemeinsame Nenner, um eine Finanzierung der 13. AHV-Rente möglichst rasch und verträglich zu ermöglichen», sagte er in der Debatte.
Vertrackte Ausgangslage
Dass sein Vorschlag überhaupt obsiegte, hat mit einer vertrackten Ausgangslage zu tun. SVP und FDP möchten zuwarten und die Finanzierungsfrage erst mit der AHV-Reform 2030 klären. Mitte-Links hingegen drängt auf eine Mischvariante aus zusätzlichen Lohnbeiträgen und höherer Mehrwertsteuer, so wie sie der Ständerat bereits in der Sommersession beschossen hat.
Gleich sechs verschiedenen Finanzierungsvarianten standen im Nationalrat nun zur Auswahl. Eine befristete sowie eine unbefristete Mehrwertsteuer-Erhöhung, drei Mischvarianten aus zusätzlichen Lohnbeiträgen und höherer Mehrwertsteuer, und dazu noch eine «AHV-Schuldenbremse», welche eine Erhöhung der Mehrwertsteuer mit einem höheren Rentenalter kombinieren wollte.
Beim Ausmehren war taktisches Geschick gefragt. Obwohl SVP und FDP zuwarten möchten, verhalfen sie der befristeten Mehrwertsteuer-Erhöhung zuerst zum Erfolg, um so eine von der Mitte-Links-Allianz geforderte Mischlösung zu verhindern. In der Gesamtabstimmung hingegen lehnte der Rechtsblock diese wieder ab.
Umgekehrt sah es bei Mitte-Links aus. «Eine befristete Mehrwertsteuer-Erhöhung für drei Jahre ist wirklich Unsinn!», machte SP-Nationalrätin Barbara Gysi (61, SG) aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Trotzdem sahen sich Mitte, SP und Grüne genötigt, die befristete Erhöhung zu schlucken, damit die AHV nicht ganz leer ausgeht.
In der Gesamtabstimmung kam die Vorlage mit 110 zu 86 Stimmen bei zwei Enthaltungen durch. Sogar fünf welsche SVP-Abweichler stimmten zu, beispielsweise der Walliser Jean-Luc Addor (61) oder der Freiburger Nicolas Kolly (39).
SP geisselt «Strategie der leeren Kassen»
Zuvor entwickelte sich eine hitzige Debatte. «Wollen Sie wirklich in das Portemonnaie der Bürger greifen?», warnte FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt (31, ZH), der als Option die AHV-Schuldenbremse eingebracht hatte. Seine Kompromisslösung: «Wir bieten Hand für eine kleine Erhöhung der Mehrwertsteuer, wenn wir auch strukturelle Massnahmen ergreifen.»
SVP-Nationalrat Michael Graber (44, VS) wiederum wetterte gegen eine Mischlösung: «Eine Erhöhung der Lohnbeiträge trifft direkt die arbeitende Bevölkerung und die Arbeitgeber, also primär nicht die Linken in ihren geschützten Werkstätten.» Seine Parteikollegin Diana Gutjahr (41, TG) sprach von einem «Finanzierungsdesaster».
SP-Co-Fraktionschefin Samira Marti (31, BL) ärgerte sich derweil darüber, dass die Rechte die AHV-Finanzierung verzögern wollte und weiterhin auf ein höheres Rentenalter drängt. Sie geisselte die rechte «Strategie der leeren Kassen, um damit der AHV bewusst zu schaden, um dann die Bevölkerung erpressen zu können, sie müsse länger arbeiten». Das sei demokratiepolitisch höchst fragwürdig und unseres direktdemokratischen Systems unwürdig, betonte sie.
Das letzte Kapitel in der AHV-Saga ist noch nicht geschrieben. Die Finanzierungsvorlage geht nun zurück in den Ständerat. In der Wintersession dürfte es zum finalen Showdown kommen.
AHV-Bundesbeitrag wird nicht gesenkt
Immerhin in einem Punkt herrschte im Nationalrat grosse Einigkeit: Die vom Bundesrat geplante Senkung des AHV-Bundesbeitrags von heute 20,2 Prozent einer AHV-Jahresausgabe auf neu 19,5 Prozent wurde deutlich vom Tisch gefegt – wie zuvor schon im Ständerat. Damit muss der Bund ab 2026 zusätzlich rund 900 Millionen Franken pro Jahr für die 13. AHV-Rente stemmen.
AHV-Vorlage ist durch! Mehrwertsteuer soll befristet auf 8,8 Prozent erhöht werden
Die AHV-Vorlage ist durch! Die Mehrwertsteuer soll befristet erhöht werden. Um 0,7 Prozentpunkte bis Ende 2030. Damit würde der Normalsatz temporär von derzeit 8,1 auf 8,8 Prozent steigen!
Der Nationalrat stimmte dieser Variante mit 110 zu 86 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Das Geschäft geht nun wieder in den Ständerat. Dieser wird sich in der Wintersession damit befassen.
Bundesbeitrag wird nicht gesenkt
Die Mehrheit stellt sich auch gegen die Senkung des Bundesbeitrags.
Befristete Mehrwertsteuer setzt sich durch – was passiert in Gesamtabstimmung?
Die befristete Mehrwertsteuer setzt sich vorerst gegen eine MIschvariante durch – mit 102 zu 96 Stimmen. Mit 108 zu 89 Stimmen fällt auch Silberschmidts Schuldenbremse durch.
Bei Mischvariante obsiegt vorerst Rechsteiner
Nun werden die verschiedenn Mischvarianten gegeinander gestellt. Zuerst setzt sich das Rechsteiner gegen das Marti-Modell durch, danach gegen das Porchet- bzw. Ständeratsmodell.
Erste Abstimmung: Mehrwertsteuer lieber befristet
Zuerst geht es um die reine Mehrwertsteuer-Erhöhung. Soll diese befristet oder unbefristet sein? Die Mehrheit folgt knapp der Befristung. Mit 99 zu 97 Stimmen bei einer Enthaltung.
Im Grundsatz drei Konzepte
Es gibt im Grunde drei Konzepte – eine reine Mehrwertsteuer-Erhöhung, eine Mischlösung oder die AHV-Schuldenbremse. Diese werden nun geklärt.
Nun wird abgetsimmt!
Nachdem Kommissionsprecher Patrick Hässig nochmals ausgeführt hat, was für den Antrag der Kommissionsmehrheit spricht, geht es nun los mit der Abstimmung über die verschiedenen Finanzierungsmodelle.
Geben welsche SVP-Abweichler den Ausschlag?
Das Abstimmungsverhalten bei den Anträgen zu Nichteintreten und Rückweisung zeigt ein interessantes Bild. Mehrere SVP-Vertreter aus der Romandie mochten der Vorgabe der Fraktionsspitze nicht folgen, sie wollen offenbar eine Lösung für die 13. AHV-Rente. Immerhin unterstützten auch mehrere welsche SVP-Sektionen die Initiative in der Volksabstimmung.
Man darf also gespannt sein, welche Lösung die welschen SVPler unterstützen werden. Bald steht die Abstimmung über die verschiedenen Modelle an! Geben die SVP-Abweichler den Ausschlag?
Grünen-Weichelt: «Das Ziel ist zu durchsichtig»
«Das Volk hat deutlich entschieden, dass es eine 13. AHV-Rente will», sagt Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt. Mit Blick auf die vorliegenden Varianten meint sie, Lohbeiträge seien sozial gerechter als die Mehrwertsteuer. Als Kompromiss unterstützt sie die Ständeratslösung.
Eine beristete Mehrwertsteuer-Erhöhung lehne sie ab. «Das Ziel ist zu durchsichtig», sagt sie. Ein höheres Rentenalter wiederum sei «eine Zwängerei».
FDP für AHV-Schuldenbremse
FDP-Nationalrat Cyril Aellen stellt sich namens seiner Fraktion hinter das Silberschmidt-Modell. Eine Mehrwertsteuer-Erhöhung sei aber nicht schmerzfrei, sagt er. Eine Erhöhung komme deshalb nur infrage, wenn auch auf der Ausgabenseite etwas unternommen werde.