AHV-Reform 2030 steht am Horizont
Kampfzone AHV – so geht es weiter mit unseren Renten

Noch ist nicht entschieden, wie die 13. AHV-Rente finanziert werden soll, da erscheint schon die nächste grosse AHV-Reform am Horizont. Die AHV wird immer mehr zur Kampfzone. Blick zeigt, wo die Fronten verlaufen.
Publiziert: 17.05.2025 um 10:15 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2025 um 11:01 Uhr
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Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider muss sich um die Finanzierung der 13. AHV-Rente kümmern.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Finanzierung der 13. AHV-Rente und Ehepaarrenten im Fokus
  • Witwenrenten sollen gekürzt werden, SVP fordert Gegenleistung
  • Bundesrätin Baume-Schneider gleist grosse AHV-Reform für 2030 auf
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Die AHV ist im Umbruch. Und SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61) hat alle Hände voll zu tun, um das wichtigste Sozialwerk der Schweiz finanziell auf Kurs zu halten. Um die Zukunft der Altersvorsorge wird hart gestritten.

Ja, die AHV wird zur Kampfzone! Blick erklärt, welche Projekte anstehen und wie die Fronten dabei verlaufen.

Finanzierung der 13. AHV-Rente

Mit dem Ja des Stimmvolks zur 13. AHV-Rente feierten die Gewerkschaften um SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard (57) einen historischen Erfolg. Im Dezember 2026 wird die «Dreizehnte» das erste Mal ausbezahlt. Das Parlament hat dafür bereits grünes Licht gegeben.

4 bis 5 Milliarden Franken wird der Zustupf jährlich kosten. Ohne Zusatzeinnahmen schmelzen die Reserven im AHV-Fonds bald einmal dahin. Der Streit um die Finanzierung ist längst entbrannt. Der Bundesrat will die 13. AHV-Rente mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte sichern. FDP und SVP hingegen wollen abwarten, bis die nächste grosse AHV-Reform vorliegt – bis dahin soll das Geld aus dem AHV-Fonds genommen werden.

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Mitte-Links wälzt eine andere Idee: eine Mischvariante mit zusätzlichen Lohnprozenten und einer höheren Mehrwertsteuer. Die ständerätliche Sozialkommission schlägt nun eine entsprechende Mix-Variante vor. Dazu gehört eine Erhöhung der Lohnbeiträge und der Mehrwertsteuer in zwei Schritten.

Die erste Stufe dient der Finanzierung der 13. AHV-Rente. Die Lohnbeiträge sollen am 1. Januar 2028 um 0,4 Prozentpunkte erhöht werden. Gleichzeitig werden aber die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung gesenkt. Somit beträgt die tatsächliche Erhöhung 0,2 Prozentpunkte. Parallel dazu soll auch die Mehrwertsteuer in einem ersten Schritt um 0,5 Prozentpunkte erhöht werden.

Die zweite Stufe würde mit Blick auf die Abschaffung des Ehepaar-Plafonds gezündet, für welche eine Volksinitiative hängig ist. Die Mehrwertsteuer könnte dabei nochmals um 0,5 Prozentpunkte angehoben werden, die Lohnbeiträge um weitere 0,4 Prozentpunkte.

In der Sommersession entscheidet der Ständerat über die Finanzierungsvorschläge. Eine Kommissionsminderheit möchte es bei einer befristeten Mehrwertsteuer-Erhöhung belassen.

Entschieden wird dann auch, ob der Bundesbeitrag an die AHV von heute 20,2 Prozent auf neu 19,5 Prozent der Ausgaben der ersten Säule sinken soll, wie das der Bundesrat möchte. Statt rund 850 Millionen Franken müsste der Bund so noch rund 450 Millionen Franken für die 13. AHV-Rente auslegen. Die Ständeratskommission stellt sich dagegen.

Höhere Renten für Ehepaare

Der nächste AHV-Ausbau steht schon vor der Tür. Die Mitte will mit einer Volksinitiative die Deckelung der Ehepaarrenten bodigen. Das Problem: Ehepaare erhalten heute maximal 150 Prozent einer Altersrente – also höchstens 3780 Franken monatlich. Konkubinatspaare hingegen bekommen zwei separate Einzelrenten von bis zu 2520 Franken, zusammen also 5040 Franken. Macht ein Minus von 1260 Franken für Verheiratete. Die Mehrkosten belaufen sich auf gut 4 Milliarden Franken jährlich.

Das Anliegen geniesst Sympathien von links bis rechts. So passt die AHV-Heiratsstrafe auch der SVP nicht in die Tüte. Offen zeigt sich auch die SP für eine Anpassung. «Diese Initiative beseitigt eine Ungerechtigkeit – besonders, wenn der Bundesrat die Witwenrente infrage stellt», sagte SP-Ständerat Maillard im Blick-Interview. Selbst die FDP lässt einen Türspalt offen, wenn dafür im Gegenzug AHV-Privilegien für Verheiratete – wie etwa der Verwitwetenzuschlag – gestrichen werden.

Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Es ist gut möglich, dass das Parlament selber einen Gegenvorschlag zimmert und den Ehepaar-Plafonds beispielsweise auf 175 Prozent erhöht. Der Ständerat hat jedenfalls bereits eine Finanzierungsvariante angedacht.

Witwenrenten kappen

Der Bundesrat wälzt auch Sparpläne in der AHV: Die Hinterlassenenrenten will er massiv beschränken und so bis 2030 jährlich bis zu 350 Millionen Franken bei der AHV sparen. Längerfristig werden die Einsparungen gar auf gegen eine Milliarde Franken steigen. Witwen und Witwer sollen künftig nämlich keine lebenslangen Hinterlassenenrenten mehr erhalten.

Eine Rente erhalten sie maximal nur noch bis zum 25. Geburtstag des jüngsten Kindes. Länger nur, wenn ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreut wird. Laufende Renten für Witwen ab 55-jährig bleiben zwar bestehen. Jüngeren Verwitweten ohne unterhaltsberechtigte Kinder soll die heutige Rente aber nach einer Übergangsphase von zwei Jahren gestrichen werden.

Die Gesetzesanpassung steht auf wackligen Beinen. Die Linke läuft gegen die Abbaupläne Sturm, der Verwitweten-Verein Aurora übt ebenfalls Kritik.

Und die SVP hat eine imposante Kehrtwende hingelegt: Nachdem sie die Vorlage in der Vernehmlassung noch begrüsst hatte, gibt nun der neue SVP-Chef Marcel Dettling (44) den Takt vor. «Der Bund muss zuerst bei sich ansetzen, bevor er auf dem Buckel der Witwen spart», plädiert er für einen Deal. Den Witwenrenten-Abbau soll es nur geben, wenn im Gegenzug die Ehepaarrenten erhöht werden. Die Deckelung soll von heute 150 auf mindestens 175 Prozent steigen.

Die nationalrätliche Sozialkommission ist auf das Geschäft eingetreten. Über die Details hat sie aber noch nicht entschieden. Offen ist, ob sie allenfalls einen Gegenvorschlag zur Mitte-Initiative einbauen will.

AHV-Kinderrenten abschaffen

Rentner erhalten für Kinder bis maximal 25-jährig eine Alterskinderrente. Diese beträgt maximal 40 Prozent der Altersrente. Über 230 Millionen Franken kostet dies die AHV jährlich. Der Nationalrat will diese Zusatzrenten abschaffen und stattdessen die Ergänzungsleistungen für Eltern mit Unterhaltspflichten erhöhen. Die grosse Kammer hat einer entsprechenden Motion letztes Jahr zugestimmt.

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Nun ist der Ständerat an der Reihe. Dessen Sozialkommission hatte den Vorstoss an seiner Sitzung Ende Februar traktandiert und auch gleich sistiert. Bevor sich die Kommission erneut mit dem Thema befasst, will sie abwarten, wie es bei den Witwenrenten weitergeht. Grundsätzlich dürfte das Anliegen aber gute Chancen haben und könnte damit in die nächste grosse AHV-Reform einfliessen.

Die grosse AHV-Reform 2030

Das grosse Meisterinnenstück steht Baume-Schneider noch bevor: die nächste grosse AHV-Reform. Vom Parlament hat sie den Auftrag gefasst, bis spätestens Ende 2026 eine Vorlage auszuarbeiten, welche die AHV für die Zeit von 2030 bis 2040 stabilisieren soll.

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Mitte Mai hat sie die Stossrichtung präsentiert. Damit ist nun klar: Es wird nicht der grosse Wurf, sondern eine pragmatische Lösung, die hauptsächlich auf zusätzliche Einnahmen via Lohnprozente und Mehrwertsteuer setzt. Zudem will sie Anreize schaffen, damit Seniorinnen und Senioren freiwillig länger arbeiten. Ein höheres Rentenalter ist für den Bundesrat vorerst keine Option. Neue Konzepte wie ein Lebensarbeitszeit-Modell oder zivilstandsunabhängige AHV-Renten werden für spätere Revisionen ins Auge gefasst.

Im Herbst will sie die konkreten Eckwerte für die AHV-Reform vorlegen, Anfang 2026 soll die Vernehmlassung dazu starten. Bis Ende 2026 soll die definitive Vorlage ans Parlament überwiesen werden. Doch schon jetzt hagelt es Kritik von links bis rechts. Die FDP beispielsweise warnt vor einer Mehrbelastung von rund 300 Franken pro Haushalt.

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