Auf einen Blick
- Nationalbank senkt Leitzins auf 0,5 Prozent
- Zinssenkung soll Inflationsdruck entgegenwirken und Wirtschaftswachstum fördern
- Starker Franken schwächt sich nur wenig ab
Die Nationalbank packt den Zinshammer aus und halbiert den Leitzins in der Schweiz. Neu liegt dieser bei gerade mal 0,5 Prozent. Für die einen ist es eine grosse Überraschung, die anderen haben diesen Zinsschritt kommen sehen. Vor allem die Finanzmärkte haben fest damit gerechnet, während die meisten Ökonomen von einer kleineren Zinssenkung ausgegangen sind.
«Mit unserer heutigen Lockerung der Geldpolitik wirken wir dem gesunkenen Inflationsdruck entgegen», betont Martin Schlegel (48) an seiner ersten geldpolitischen Lagebeurteilung als Präsident der SNB. Dabei lässt er durchschimmern, dass man sich bei der letzten Prognose wohl etwas verschätzt hat. Denn die Teuerung ist noch schneller zurückgegangen, als das die Nationalbank erwartet hatte. Im kommenden Jahr soll die Inflation im Schnitt bei noch 0,3 Prozent liegen.
Zu tiefe Teuerung ist schlecht
Die erste Lagebeurteilung von Martin Schlegel ist auch ein Jubiläum: Das Direktorium der Nationalbank hat sich am Donnerstag zum 100. Mal getroffen, um ordentlich die Geldpolitik der Schweiz zu bestimmen. Die Hoffnung der SNB: «Mit diesem grossen Schritt haben wir die Inflation in der Schweiz stabilisiert.»
Die Botschaft ist klar: Viel weiter runter soll es mit der Teuerung nicht mehr gehen, denn sonst könnte die Teuerung ins Negative kippen. Was aus Sicht der Konsumenten eine erfreuliche Botschaft wäre, ist die grosse Angst der Notenbanker: Deflation – also über einen längeren Zeitraum sinkende Preise.
Allerdings sei diese Angst ein alter Zopf der Volkswirtschaftslehre, der vielleicht mal abgeschnitten gehörte, wie der Ökonom Adriel Jost (39) findet: «Das ist fest in den Köpfen der Notenbanker drin, dass es schlecht ist, wenn die Inflation unter null liegt.» Das habe in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA eine grosse Rolle gespielt, doch die Ausgangslage in der Schweiz sei heute nicht damit vergleichbar.
Wirtschaft kann mit Deflation umgehen
Erwarten Konsumenten weiter sinkende Preise, so würden sie sich bei grösseren Anschaffungen zurückhalten, weil morgen alles noch billiger wäre, so die gängige Lehrmeinung. Was schlecht für die Wirtschaft wäre. Dazu meint Jost: «Wer wartet mit dem Kauf eines neuen E-Bikes oder eines schicken Sofas, nur weil der Preis in einem Jahr ein Prozent tiefer liegen könnte?» Solange die Deflation nicht zu hoch sei, werde das keine Verhaltensänderung nach sich ziehen.
Auch Brian Mandt (54), Chefökonom der Luzerner Kantonalbank, hat kein Problem mit vorübergehend sinkenden Preisen: «Die Erfahrung zeigt, dass die Schweizer Wirtschaft nicht so schlecht gefahren ist, als die Inflation in der Schweiz unter null lag.» Phasen mit negativer Teuerung gab es zuletzt in den Jahren 2020 und 2021 während der Corona-Pandemie sowie zwischen 2011 und 2016.
Zwar gilt die Aufmerksamkeit der Nationalbank in erste Linie der Preisstabilität, doch auch dem starken Franken gilt die Sorge der Schweizer Währungshüter. Dieser zeigt sich aber vom überraschend grossen Zinsschritt nicht beeindruckt und hat gegenüber dem Euro nur leicht an Wert verloren. Zu gross sind die geopolitischen Unsicherheiten, die für viele ausländische Anleger den Franken als sicheren Hafen in schwierigen Zeiten erscheinen lassen.
Negativzinsen möglich
Immerhin: Die starke Lockerung der Geldpolitik kommt für viele einem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk gleich. Hypothekarschuldner, Mieter und potenzielle Hauskäufer dürfen sich über den grossen Zinsschritt freuen. Einzig die Sparer ärgern sich über noch tiefere Zinsen auf dem Konto.
Zudem hilft die Zinssenkung der Schweizer Wirtschaft insgesamt: Das Wachstum dürfte im nächsten Jahr wieder zunehmen, die Arbeitslosigkeit sinken und – wenn die Rechnung der SNB aufgeht – die Inflation 2026 wieder etwas ansteigen. Was ein Zeichen für eine prosperierende Wirtschaft wäre.
Interessant: Im September hatte die Nationalbank noch offensiv auf weitere Zinssenkungen hingewiesen. Von dieser Forschheit ist im Dezember nichts mehr zu spüren. Man will sich nicht mehr in die Karten blicken lassen. Klar ist aber auch: Negativzinsen hat Martin Schlegel an der geldpolitischen Lagebeurteilung nicht ausgeschlossen. Das heisst, schon Mitte nächsten Jahres könnte dieses ungeliebte Instrument wieder Teil der Geldpolitik sein.