Seit sieben Monaten sucht Regula Wegmann (39) bereits eine neue Wohnung in Zürich. Aktuell lebt sie in einer schönen Altbauwohnung mit 2½ Zimmern. Vom kleinen Balkon aus blickt sie ins Grüne. Wegmanns Wohnung liegt direkt neben dem Botanischen Garten. Ihr Mietzins beträgt 1750 Franken inklusive Nebenkosten – für Zürich ein absoluter Glücksgriff. «Es tut mir weh, diese Wohnung gehen zu lassen», sagt die Kommunikationsberaterin. «Doch wir brauchen mindestens ein Zimmer mehr!»
Wegmann hat einen neuen Partner mit Kind. Weil das Mädchen im Kindergarten ist, soll die neue Wohnung in der Nähe sein. «Am besten wäre Hottingen für uns», so Wegmann. Eine Wohnung zu finden, die all diese Kriterien erfüllt, gleicht in Zürich einem Weihnachtswunder. Denn in der Stadt herrscht Wohnungsnot: Der Leerstand liegt bei 0,06 Prozent. Die durchschnittliche Vermarktungsdauer einer Wohnung in und um Zürich beträgt elf Tage. Und weil Wohnraum ein so rares Gut ist, schnellen die Mietzinsen in die Höhe.
Der Lock-in-Effekt
Das führt zu einem weiteren Effekt, der die Krise auf dem Wohnungsmarkt zusätzlich verschärft: den sogenannten Lock-in-Effekt. Er tritt ein, wenn Mieten in langjährigen Mietverhältnissen langsamer ansteigen als die ausgeschriebenen Marktmieten. Zwischen den sogenannten Bestandesmieten und den Marktmieten entwickelt sich ein grosser Preisgraben. Wer in Zürich seit 2008 nicht mehr umgezogen ist, spart beispielsweise 5200 Franken Mietzins pro Jahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Zürcher Kantonalbank.
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Das führt dazu, dass Haushalte in ihren langjährigen Wohnungen bleiben, obwohl sie eigentlich zu gross oder zu klein sind. Vor allem Senioren zügeln nicht, auch wenn sie längst nicht mehr alle ihre Zimmer nutzen. Die Altersgruppe 65 plus nimmt mit 70,5 Quadratmeter pro Person so viel Wohnraum in Anspruch wie niemand sonst.
Krise befeuert Wohnungstausch
Gleichzeitig wohnen Mieter wie Wegmann auf zu wenig Raum und suchen verzweifelt nach mehr. Die Mieterin hat keine Möglichkeit ausgelassen, um etwas Grösseres zu finden. Sie hat ihren Verwalter angeschrieben, sprach mit der Nachbarschaft, durchforstete alle Immobilienplattformen, hat alle lokalen Immo-Newsletter abonniert. Die Situation in Zürich sei prekär, so Wegmann. «Die Wohnungen, die ausgeschrieben sind, sind meist viel zu teuer.»
Auch zum Tausch hat Wegmann ihr Apartment ausgeschrieben. Möglich ist das dank Plattformen wie Tauschwohnung.com. Das Angebot kommt ursprünglich aus Deutschland, gewinnt jedoch auch in Zürich an Popularität. «In den letzten zwei Jahren sehen wir eine starke Zunahme der Anzahl Nutzerinnen und Nutzer», sagt John Weinert (31), Geschäftsführer der Plattform. Allein in Zürich habe die Plattform seit 2021 480 Haushalten beim Tausch geholfen. Rund 1000 Anzeigen sind in der Stadt aktuell aufgeschaltet. Ähnlich wie bei einer Dating-App schlägt einem das Tool anhand der eingegebenen Kriterien passende Wohnungen vor. Wenn beide Seiten an einem Tausch interessiert sind, gibt es ein Match.
Massenbesichtigung umgehen
Mit einem Wohnungstausch könne man entspannt ein neues Zuhause suchen, findet Weinert. «Ohne Zeitdruck und Massenbesichtigungen.» Wichtig: Die Eigentümer der Liegenschaft müssen damit einverstanden sein. Wegmanns Vermieter ist offen dafür. «Er weiss, wie schwierig es ist, in Zürich eine bezahlbare Wohnung zu finden», sagt Wegmann. Sie ist froh, einen verständnisvollen Vermieter zu haben. Nicht alle reagieren so. Es gibt auch Vermieter, die dem Wohnungstausch gegenüber skeptisch sind.
Für Weinert ist das nicht verständlich. Wohnungstausch sei für Vermieter eine Win-win-Situation. «Sie brauchen sich nicht um die Suche nach Nachmieter zu kümmern, denn der aktuelle Mieter schlägt passende vor», sagt er.
Mieterinnen und Mieter, die ihre Wohnung tauschen wollen, sollten in einem ersten Schritt ihre Verwaltung oder den Vermieter kontaktieren – noch bevor sie sich bei einer Wohnungstausch-Seite registrieren. Denn ohne das Einverständnis des Eigentümers kann kein Tausch stattfinden. Letztendlich haben die Eigentümer das letzte Wort, was den Nachmieter angeht. «Die Vermieterin kann im Falle eines dauerhaften Wohnungstausches insbesondere die Zahlungsfähigkeit einer neuen Mieterschaft überprüfen», sagt Rahel Gsponer (36), Rechtsberaterin des Mieterinnen- und Mieterverband Ostschweiz. Die Miethaushalte sollten die entsprechenden Unterlagen deshalb frühzeitig der Vermieterin zur Prüfung geben. «Aber auch dann ist es der Vermieterin überlassen, ob sie die neue Mieterschaft akzeptieren möchte oder nicht», so Gsponer.
Konkret heisst das: Bei einem Wohnungstausch müssen insgesamt vier Parteien damit einverstanden sein. Die beiden Haushalte, die ihre Wohnung tauschen wollen sowie die beiden Vermieter, die bereits sind, den Nachmieter zu übernehmen. Auch bei einem Tausch hat der Vermieter im Übrigen das Recht, den Mietzins nach oben anzupassen. Erlaubt ist die Abwälzung der allgemeinen Teuerung im Umfang von 40 Prozent oder die Weitergabe einer Referenzzinssatzerhöhung. Dorothea Vollenweider
Mieterinnen und Mieter, die ihre Wohnung tauschen wollen, sollten in einem ersten Schritt ihre Verwaltung oder den Vermieter kontaktieren – noch bevor sie sich bei einer Wohnungstausch-Seite registrieren. Denn ohne das Einverständnis des Eigentümers kann kein Tausch stattfinden. Letztendlich haben die Eigentümer das letzte Wort, was den Nachmieter angeht. «Die Vermieterin kann im Falle eines dauerhaften Wohnungstausches insbesondere die Zahlungsfähigkeit einer neuen Mieterschaft überprüfen», sagt Rahel Gsponer (36), Rechtsberaterin des Mieterinnen- und Mieterverband Ostschweiz. Die Miethaushalte sollten die entsprechenden Unterlagen deshalb frühzeitig der Vermieterin zur Prüfung geben. «Aber auch dann ist es der Vermieterin überlassen, ob sie die neue Mieterschaft akzeptieren möchte oder nicht», so Gsponer.
Konkret heisst das: Bei einem Wohnungstausch müssen insgesamt vier Parteien damit einverstanden sein. Die beiden Haushalte, die ihre Wohnung tauschen wollen sowie die beiden Vermieter, die bereits sind, den Nachmieter zu übernehmen. Auch bei einem Tausch hat der Vermieter im Übrigen das Recht, den Mietzins nach oben anzupassen. Erlaubt ist die Abwälzung der allgemeinen Teuerung im Umfang von 40 Prozent oder die Weitergabe einer Referenzzinssatzerhöhung. Dorothea Vollenweider
Vermieter hat das letzte Wort
Eine weitere Hürde für Mieter: «Von einer kleinen in eine grosse Wohnung zu wechseln, ist schwierig, weil die Nachfrage hier grösser ist als das Angebot», sagt der Geschäftsführer. Das bekam Wegmann in den vergangenen Monaten zu spüren. Zwar haben schon Besichtigungen stattgefunden, doch zu einem Tausch kam es bisher nicht. Doch Wegmann gibt nicht auf. «Ich schrieb auch schon WGs an, die online nach einem neuen Mitbewohner suchten, und fragte sie, ob sie nicht stattdessen mit mir die Wohnung tauschen wollen.» Bisher blieben alle Bemühungen erfolglos.
Sollte Wegmann die perfekte Tauschwohnung doch noch finden, bräuchte sie den Segen des Vermieters. Erst wenn der Eigentümer oder die Verwaltung der jeweiligen Liegenschaften den Mieter-Tausch gutheissen, kann ein neuer Mietvertrag abgeschlossen werden.