Wirtschaftsexperte Werner Vontobel ordnet ein
Schaffä, schaffä – minus mache

Im letzten Jahr hat die Schweiz 73 Milliarden Franken Überschuss erarbeitet – und dennoch 223 Milliarden verloren. Wir versparen uns.
Publiziert: 30.07.2022 um 15:30 Uhr
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Wirtschaftsexperte Werner Vontobel schreibt ...
Foto: Paul Seewer
Werner Vontobel

95,2 Milliarden Franken! Der Rekordverlust der Nationalbank im letzten Halbjahr hat Schlagzeilen gemacht. Doch diese Zahl kann man leicht toppen, wenn wir statt der Nationalbank die ganze Schweiz betrachten. Gemäss den aktuellsten Daten der Nationalbank hat die Schweiz in den letzten vier Quartalen (bis zum 1. Quartal 2022) zwar 73 Milliarden Franken Leistungsbilanzüberschuss erzielt, das Netto-Auslandsvermögen hat sich aber nicht um diese Summe erhöht, sondern ist um nicht weniger als 223 Milliarden Franken gesunken. Ein Nettoverlust von fast 300 Milliarden – dreimal so hoch wie jener der SNB.

Gewiss. Das war ein Ausnahmejahr und unser Auslandsvermögen unterlag schon immer grossen Schwankungen. Kein Grund zur Panik. Dennoch bestätigt sich ein ungutes langfristiges Muster: Unsere mühsam erarbeiteten Überschüsse werden immer wieder von der Abwertung unserer Guthaben zunichtegemacht. Das gilt etwa auch für die zurückliegenden zehn Jahre. Trotz 520 Milliarden kumulierten Überschüssen, ist das Nettovermögen um rund 100 Milliarden gesunken. Daraus errechnet sich eine negative jährliche Vermögensrendite von fast 6 Prozent. Und selbst, wenn wir den bisher höchsten Vermögens-Pegelstand von 874 Milliarden mit den Werten von zehn Jahren zuvor vergleichen, sieht die Endabrechnung nicht gut aus: Kumulierte Überschüsse von 513 Milliarden Franken haben das Nettoguthaben bloss um 110 Milliarden vermehrt. Auch hier liegt die Vermögensrendite deutlich im Minus.

Chronisches Überschussland

Woher kommt das? Nun, zum einen erwerben wir, als chronisches Überschussland, unsere Guthaben notgedrungen vorwiegend gegenüber den Ländern, die immer wieder mal Leistungsbilanzdefizite erleiden. Und Guthaben gegenüber dubiosen Debitoren haben nun mal die Tendenz, sich zu entwerten. Dazu kommt ein gewaltiger Hebeleffekt: Das aktuelle Auslandsguthaben der Schweiz von 652 Milliarden Franken, ist die Differenz von 4889 Milliarden Schulden und 5541 Milliarden Guthaben, wovon gut 5000 Milliarden in Fremdwährungen. Das heisst: Jedes Mal, wenn sich der Franken gegenüber den Fremdwährungen um 1 Prozent aufwertet, schrumpft das (viel kleinere) Nettovermögen um rund 7,5 Prozent.

Das ist aber nicht das Ergebnis einer schlechten Anlagepolitik, sondern letztlich das Abbild unserer Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland. Auch alle anderen chronischen Überschussländer leiden darunter, dass sich ihre Guthaben immer wieder mal entwerten. Manchmal nur langsam und aktuell wieder einmal ziemlich rasant. Das Gegenstück dazu sind die USA, die in zehn Jahren rund 5000 Milliarden Defizite angehäuft haben, ohne dass ihr Nettoauslandsvermögen merklich gesunken wäre.

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