Wirtschaftsexperte Werner Vontobel ordnet ein
Bitcoin für die Nationalbank? Nein danke!

Eine Volksinitiative verlangt, dass Bitcoin Teil der Schweizer Währungsreserven werden soll. Das ist eine sehr schlechte Idee.
Publiziert: 26.04.2024 um 11:26 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2024 um 13:34 Uhr
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Eine Verfassungsinitiative einer Gruppierung um den Westschweizer Krypto-Investor Yves Bennaïm will, dass die Schweizerische Nationalbank einen Teil ihrer Währungsreserven ...
Foto: Keystone
Werner Vontobel

Sechs Jahre nach der Abstimmung über die Vollgeldinitiative hat das Schweizer Stimmvolk erneut die Gelegenheit, sich mit unserem Geldsystem auseinanderzusetzen. Anlass dazu ist eine Verfassungsinitiative einer Gruppierung um den Westschweizer Krypto-Investor Yves Bennaïm. Danach soll die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen Teil ihrer Währungsreserven nicht nur wie bisher in Gold, sondern auch in Bitcoin halten.

Begründet wird dies unter anderem damit, dass Anlagen in Bitcoin «langfristig robuster seien als Euro- und Dollar-Anlagen, deren Wirtschaftsräume dazu neigten, mittels Inflation ihre Schuldenberge zu reduzieren und damit auch die Anlagen der SNB zu entwerten.» Der Mitinitiant Luzius Meisser, Präsident des Vermögensverwalters Bitcoin Suisse, hatte schon an der Generalversammlung 2022 den Vorschlag gemacht, die SNB solle monatlich für 1 Milliarde Franken Bitcoin kaufen. Nach Meissers Berechnung wäre die SNB damit heute um 30 Milliarden Franken reicher.

Das sind lauter gute Gründe für, aber gleichzeitig noch mehr gegen die Initiative. Richtig ist vor allem, dass alle herkömmlichen Währungen keineswegs robust sind und auf einem wackligen Fundament stehen – auch der Franken. Volkswirtschaftlich gesehen sind Franken so etwas wie Gutscheine für den Bezug von Schweizer Waren und Dienstleistungen. Diese hatten 2022 einen Wert von rund 600 Milliarden Franken. Ferner kann man sich damit am Aufbau des Kapitalstocks beteiligen. Das sind noch einmal rund 180 Milliarden.

Diesen 780 Milliarden stehen nun aber – gemessen am Nettovermögen der Privathaushalte – Gutscheine im Wert von 4526 Milliarden gegenüber. Das ist fast das Dreifache des gesamten realen Kapitalstocks – Bauten, Maschinen, Fahrzeuge, Software usw. – und das sechsfache des jährlichen BIP.

Reiche Oberschicht

Der Grund für dieses Missverhältnis ist erstens, dass es eine reiche Oberschicht gibt, die Jahr für Jahr viel mehr kassiert als sie konsumieren oder real investieren kann. Und zweitens, dass sich diese Oberschicht ihre so angehäuften Wertschriften und Immobilien gegenseitig abkauft und so deren Preise nach oben treibt. Das erklärt, warum das BIP seit zehn Jahren im Schnitt um rund 10 Milliarden gewachsen ist, die Guthaben aber pro Jahr um 155 Milliarden zugenommen haben. Davon entfällt mehr als die Hälfte auf die Wertsteigerungen des Immobilienbesitzes.

Dadurch aber wird das Missverhältnis immer grösser und die Substanz, die hinter den Guthaben steckt, immer kleiner. Wollten die Vermögenden auch nur einen Bruchteil ihrer Guthaben gegen Ware eintauschen, wären die Regale leer und das Geld würde sich massiv entwerten. Was tun? Wie können die Reichen diese Gefahr abwenden und ihre Vermögen sichern? Eine Antwort auf diese Frage sind die zahllosen Kryptowährungen im aktuellen Marktwert von 2450 Milliarden Dollar, wovon 1311 Milliarden allein auf den Bitcoin entfallen.

Kryptowährungen sind ein Hype

Der Erfolg der Kryptos beruht auf reiner Psychologie: Alle Beteiligten (sollten) wissen, dass hinter ihren Coins nichts steckt, worauf sie zurückgreifen könnten – kein BIP, kein Gold, kein gar nichts. Ihr Wert beruht ausschliesslich auf der Hoffnung auf steigende Kurse. Doch diese Hoffnung ist berechtigt: In dem Masse, wie die Dollar-, Euro- und Frankenguthaben im Verhältnis zum BIP steigen, und damit real an Substanz verlieren, nimmt auch die Wahrscheinlichkeit zu, dass noch mehr Reiche ihr ohnehin überflüssiges «Spielgeld» in Kryptos investieren.

Kommt dazu, dass immer mehr Leute auch aus dem Mittelstand die Erfahrung gemacht haben, dass man mit reinen Finanz- und Immobilienspekulationen leichter reich werden kann als mit produktiver Arbeit. Es wächst eine Generation von Gamblern heran, welche die Scheinwelt der Finanzen nicht mehr von der realen Wirtschaft unterscheiden kann. Einige davon glauben ernsthaft, dass der Zauberstab des Bitcoins Überfluss für alle schaffen kann, und wollen unbedingt dabei sein.

Versuchung des künftigen SNB-Präsidenten ist gross

Von dieser Entwicklung könnte in der Tat auch unsere Nationalbank profitieren, zumal sie mit ihren Verlautbarungen den Bitcoin-Kurs zu ihrem Vorteil manipulieren könnte. Die Versuchung für den künftigen SNB-Präsidenten ist gross: Wirft die Schweiz das ganze Prestige ihrer Nationalbank in die Waagschale, könnte der Bitcoin zu unserer wichtigsten Milchkuh werden.

Doch letztlich würden wir damit bloss eine fatale Entwicklung beschleunigen. Die Kryptowährungen mögen zwar Finanzvermögen schaffen, aber sie vernichten massiv Realvermögen. Allein die Energiekosten des Bitcoins schlugen sich laut Wikipedia 2012 mit 120 Milliarden Kilowattstunden zu Buche (Zahl von 2021). Das ist mehr als das Doppelte des ganzen Stromverbrauchs der Schweiz. Zudem beanspruchen und vernichten die mittlerweile fast 10'000 (!) unterschiedlichen Kryptowährungen die Arbeitskraft und Intelligenz von weltweit wohl Hunderttausenden Fachkräften.

Dies vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung der Kryptos als Finanzdienstleister marginal ist. Für den Zahlungsverkehr sind sie wegen der hohen Kosten unbrauchbar. Auch zur Wertaufbewahrung sind sie angesichts der riesigen Kursschwankungen nur für Superreiche und Gambler empfehlenswert. Wer allerdings schon über höhere Bitcoin-Vermögen verfügt, kann von einem Zustandekommen der Initiative massiv profitieren.

Darauf setzen wohl auch die Initianten.

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