Wirtschaftsexperte Werner Vontobel ordnet ein
Darum spielt der Immobilienmarkt verrückt

Die Immobilienpreise steigen und steigen. Doch woher nehmen die Käufer und Mieter das viele Geld? Wirtschaftsexperte Werner Vontobel ordnet ein.
Publiziert: 13.04.2024 um 19:19 Uhr
|
Aktualisiert: 13.04.2024 um 19:52 Uhr
1/4
Wirtschaftsexperte Werner Vontobel ordnet für Blick regelmässig aktuelles Wirtschaftsgeschehen ein.
Foto: Paul Seewer
Werner Vontobel

Ein Blick auf Plattformen im Internet wie homegate.ch lässt einen schwindlig werden. 1,735 Millionen Franken für eine 2,5-Zimmerwohnung von 77 Quadratmetern. 4580 Franken Monatsmiete für 75 Quadratmeter. Die Verkäufer und Vermieter gehen offenbar davon aus, beziehungsweise haben die Erfahrung gemacht, dass solche Preise bezahlt werden können. Woher nehmen sie diese Zuversicht?

Ein Grund liegt in der Leidensfähigkeit der Mieter. Eine Miete von einem Drittel des Bruttoeinkommens gilt offiziell als tragbar. Das mittlere Einkommen liegt aktuell bei 6788 respektive 13'576 Franken für ein Doppelverdiener-Paar. Ein Drittel davon sind 4525 Franken, womit die oben erwähnte Miete auch für Normalverdiener knapp als tragbar durchgeht. Kinder machen allerdings einen Strich durch diese Rechnung. Oder vielmehr macht die Rechnung einen Strich durch die Kinder. Kein Wunder liegt die Geburtenrate bei bloss 1,52 – wobei sich vor allem die reichen Familien ins Zeug legen.

Rasant steigende Kaufkraft der Reichen

Doch die Leidensfähigkeit und Kinderlosigkeit der Durchschnittsverdiener ist letztlich nur ein nebensächlicher Faktor. Wichtiger ist die rasant steigende Kaufkraft der Reichen. Seit zehn Jahren nimmt das Vermögen der Privathaushalte jährlich um 154 Milliarden Franken zu, gut die Hälfte machen dabei steigende Immobilienpreise aus. Davon profitiert auch die relativ breite Schicht der Erben. Ein Drittel der Schweizer sind Wohneigentümer und damit auch Erblasser von Grundeigentum. Ein biederes Einfamilienhäuschen, mit 360 Quadratmeter Land, bringt den Erben heute locker 3,6 Millionen Franken ein – womit auch sie im Kampf um teure Eigentumswohnungen mithalten können.

Insbesondere an steuergünstigen Lagen kommt auch noch die potenzielle Nachfrage von Tausenden Multimillionären und Steueroptimierern aus dem Ausland dazu. Auch die 92'000 EU/Efta-Angehörigen, die letztes Jahr in die Schweiz eingereist sind, verfügen meist über eine hohe Kaufkraft und sind froh, erst einmal überhaupt eine Bleibe zu finden. Gemäss Professor Volker Grossmann von der Uni Freiburg erhöht jedes Prozent Einwanderung die Mieten um 7 Prozent.

Ein Rechenbeispiel zu einem Erben

Das Leiden der Durchschnittsverdiener hat eine Kehrseite – den Vermögenszuwachs der Bodenbesitzer. Nehmen wir unsere «popeligen» 360 Quadratmeter im aktuellen Marktwert von 3,6 Millionen Franken und überlegen, wie viel arbeitsfreies Einkommen der geschäftstüchtige Erbe Peter damit herausschlagen kann:

Zunächst stockt er seine 3,6 Millionen um eine Hypothek von 5,4 Millionen auf. Damit arrondiert er – mit 2,4 Millionen – seinen Grundbesitz erst einmal um 240 auf 600 Quadratmeter und baut darauf für die restlichen 3 Millionen für je 5000 Franken total 600 Quadratmeter Wohnfläche. Damit ist er jetzt stolzer Besitzer von 6 Wohnungen zu je 100 Quadratmetern.

Bei der Festlegung der Miete hält er sich voll an das geltende Mietrecht. Dieses erlaubt ihm, sämtliche Unterhalts-Abschreibungs- und Verwaltungskosten sowie den Hypozins auf die Mieter abzuwälzen. Darüber hinaus darf er ihnen eine Rendite von aktuell 3,75 Prozent auf sein Eigenkapital von 3,6 Millionen Franken in Rechnung stellen. Das sind 11’250 Franken monatlich – je 1875 Franken von jeder Mieterpartei. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn mit jedem Prozent, das seine Liegenschaft an Wert gewinnt, wird Peter um 90'000 Franken oder 7500 Franken monatlich reicher. Bisher waren jährliche Preissteigerungen von 3 Prozent üblich. Rechne.

Der soziale Frieden ist gefährdet

Unser Beispiel illustriert ein grundsätzliches Problem: Die Bodenbesitzer ernten ganz privat das, was der Staat mit seinen Investitionen in Schulen, Verkehrswege, Parkanlagen, in die öffentliche Sicherheit und nicht zuletzt mit tiefen Steuersätzen gesät hat. Das ist nicht neu, aber mit der Explosion der Bodenpreise und der privaten Spitzenvermögen hat das Problem ein Ausmass erreicht, das den sozialen Frieden gefährdet.

Zudem wird mit dieser Umverteilung noch massiv Kaufkraft vernichtet: Die Mieter müssen sich stark einschränken, Peter und die anderen Bodenbesitzer können das viele Geld gar nicht verkonsumieren – und sind schon fast gezwungen, es in weiteren Immobilienbesitz zu investieren.

Was ist mit einem staatlichen Vorkaufsrecht?

Was tun? Die Stadt Zürich versucht es mit dem staatlichen Vorkaufsrecht. In unserem Beispiel hiesse das: Die Stadt übernimmt das 6-Millionen-Projekt zu Marktpreisen (Peter erhält seine 3,6 Millionen Franken), überwälzt aber nur die effektiven Kosten auf die Mieter. Während der Staat nicht billiger bauen (lassen) kann und auch bei der Vermietung kaum Kostenvorteile hat, sieht es bei den Kapitalkosten anders aus.

Privatinvestor Peter muss auf seiner 5,4-Millionen-Hypothek aktuell 2,1 Prozent Hypozins zahlen und darf für seine 3,6 Millionen Franken 3,75 Prozent Rendite verlangen. Die Stadt Zürich hingegen kann sich am Kapitalmarkt mit bloss 1,3 Prozent finanzieren und muss ihren Mietern nicht mehr verrechnen. Das macht einen Unterschied von 131'400 Franken oder gut 1825 Franken pro Monat und Mieter.

Das Vorkaufsrecht raubt Peter die Chance, den Mietern 3,75 Prozent Eigenkapitalrendite oder monatlich 11’250 Franken abzuknöpfen. Aber er kassiert nach wie vor seine 3,6 Millionen – die er (siehe oben) weitgehend dem Staat verdankt. Wie wärs mit einer nationalen Erbschaftsteuer?

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.