Warum diese Beizen schon wieder zu machen
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Sommerferien nach Lockdown:Warum diese Beizen schon wieder zu machen

Wirtin Atschalina Stéphani (27) sucht seit Monaten nach Verstärkung – ohne Erfolg
Wer hilft ihr beim Austern öffnen?

Beizer in der Schweiz zapfen im Akkord Bier, servieren Menü um Menü und kommen dabei kaum zum Durchatmen. Ihnen fehlt massenhaft Personal. Schuld daran ist auch die Corona-Krise. Ein Bericht von der Front.
Publiziert: 10.08.2021 um 09:42 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2021 um 11:14 Uhr
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Atschalina Stéphani vom Restaurant Frisk Fisk in Zürich öffnet derzeit im Akkord Austern. Ihr fehlt das Personal.
Foto: Nathalie Taiana
Sarah Frattaroli

Atschalina Stéphani (27) bereitet mit der linken Hand einen Kaffee zu. In der rechten hält sie das Telefon, nimmt eine Reservation entgegen. Im Fischrestaurant Frisk Fisk im Zürcher Niederdorf herrscht gerade die Ruhe vor dem Sturm. Erst wenige Gäste sitzen an diesem späten Nachmittag an den Aussentischen in der Sonne.

Stéphani ist stellvertretende Geschäftsführerin des Restaurants. Sie öffnet Austern im Akkord, serviert Lachs, schenkt Wein ein. Ihr Team ist unterbesetzt. Seit drei Monaten versucht das Szenelokal, ein neues Teammitglied zu finden. Ohne Erfolg. Das Stelleninserat rutscht nach wenigen Tagen auf der Jobplattform bereits so weit nach hinten, dass es keiner mehr sieht.

«Vielen fiel die Decke auf den Kopf»

«Pro Woche kommen eine, maximal zwei Bewerbungen rein», sagt die 27-Jährige. Für sie bedeutet der Personalengpass: Mehr Stress, weniger Zeit für den Gast. Mehr Teller schleppen, weniger Pausen.

Ein Knochenjob, das war die Gastronomie schon immer. Lange Arbeitsstunden, auch abends und am Wochenende. Körperlich anstrengende Arbeit. Tiefe Löhne. Doch Personal zu finden, war noch nie so schwierig wie jetzt, das geben Gastronomen landauf landab zu Protokoll. Schuld ist die Corona-Krise.

«Vielen fiel während der Lockdowns die Decke auf den Kopf», konstatiert Bastian Eltschinger (40), Co-Geschäftsleiter des Gastrounternehmens Remimag. Eltschinger betreibt gemeinsam mit seinem älteren Bruder Florian (42) 30 Restaurants und Hotels im ganzen Land. Das Familienunternehmen machte 2020 einen Umsatz von 43 Millionen Franken. Vor Corona, im Jahr 2019, waren es noch 73 Millionen.

Es klafft ein Loch im Portemonnaie

Die Brüder beschäftigen 700 Angestellte. Und es könnten sogar noch 100 mehr sein. So viele Stellen sind auf der Remimag-Webseite ausgeschrieben. Gesucht ist etwa eine Geschäftsführerin für die Trattoria Walensee in Weesen SG. Oder ein Jungkoch für das Restaurant Schifflände am Hallwilersee in Birrwil AG. «Die Suche läuft harzig», gibt Bastian Eltschinger zu. Egal ob im edlen Stadtrestaurant oder im rustikalen Landgasthof: Bewerbungen kommen nur spärlich rein.

Denn viele Gastromitarbeitende wollen nicht mehr mit der Unsicherheit leben, von heute auf morgen ihren Job zu verlieren. Und manch einer konnte es sich schlicht nicht leisten, auf die Wiedereröffnung der Restaurants zu warten. Die Gastroangestellten erhielten während der Kurzarbeit nur 80 Prozent ihres ohnehin schon tiefen Lohnes. Trinkgeld gabs keines. Da klafft ein Loch im Portemonnaie.

Eltschinger hat Verständnis dafür, dass viele Leute der Branche den Rücken kehren. «Wenn ich eine Familie ernähren muss oder wenn ich noch jung bin und gerade meine Zukunft plane, dann schaue ich mich um.»

Aktuelle Zahlen belegen den Trend: Die Online-Personalplattform Coople kam in einer Umfrage im Juni zum Schluss, dass mehr als die Hälfte der Gastromitarbeiter die Branche wechseln will.

Das führt auch dazu, dass die Statistik zur Arbeitslosigkeit im Gastgewerbe verfälscht wird. 5,9 Prozent beträgt sie laut offiziellen Zahlen. Verglichen mit 2,8 Prozent im Durchschnitt aller Branchen. Das Problem: Wer früher als Servicekraft arbeitete, jetzt aber einen Bürojob sucht, wird in der Statistik als Arbeitsloser im Gastgewerbe ausgewiesen.

Schichtbetrieb als Notlösung

Stéphani denkt nun darüber nach, im Frisk Fisk Schichtbetrieb und Zimmerstunden einzuführen, um den Personalengpass zu überbrücken. «Das sind Dinge, die wir nicht gerne machen. Aber am Schluss ist es unumgänglich.» Die Folge: Die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie werden noch unattraktiver, noch mehr Leute springen ab. Ein Teufelskreis.

Nachwuchs rückt kaum nach. Auf der Lehrstellenplattform Yousty etwa gibt es für diesen Sommer noch 300 offene Lehrstellen im Service. Bei den Köchen sind es noch einmal so viele. Dass all diese Lehrbetriebe innerhalb der nächsten Tage noch einen passenden Lehrling finden, ist unrealistisch.

Entertainer statt Tellerschlepper

Dabei wäre es wichtig, weitere Fachkräfte auszubilden, betont auch Casimir Platzer (58) vom Verband Gastrosuisse: «Hilfskräfte gibt es grundsätzlich weiterhin genügend. Aber wenn ein Betrieb einen ausgebildeten Koch braucht, kann er nicht einfach mit einer ungelernten Hilfskraft arbeiten.»

Die Lösung? Berufe in der Gastronomie müssen wieder attraktiver werden, fordert Platzer. «Man muss wegkommen vom Gefühl, dass jeder und jede für das Gastgewerbe geeignet ist. Das Servicepersonal ist auch Entertainer und nicht nur Tellerschlepper.»

Auch Bastian Eltschinger, selber gelernter Koch, will von schlechten Arbeitsbedingungen nichts wissen. «Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als Samstag und Sonntag frei zu haben. Da muss man überall anstehen!»

Und die Gastronomie sei weiterhin ein Sprungbrett, argumentiert er: «Bei uns gibt es noch richtige Tellerwäscherkarrieren. Ein Flüchtling kann innerhalb von wenigen Jahren zum Geschäftsführer werden. Ein Quereinsteiger stampft erfolgreich ein Restaurant aus dem Boden. Das ist in anderen Branchen nicht so einfach.»

Eltschinger blickt denn auch gelassen in die Zukunft. Obwohl seine und andere Restaurants weiter händeringend nach Personal suchen. «Vielleicht kommen einige Abtrünnige wieder zurück», hofft er.

Er scheint recht zu behalten: Atschalina Stéphani vom Frisk Fisk hat gerade ein Bewerbungsgespräch geführt. Der Kandidat hat einen guten Eindruck gemacht. «Eigentlich müssen wir nur noch den Vertrag unterschreiben», freut sie sich. Das ist aber höchstens ein Etappensieg. Im Schwesterrestaurant in Winterthur ZH sind immer noch mehrere Stellen unbesetzt.

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