Von links wird in etwa so argumentiert: Pensionskassen und Immobilienfonds kaufen Wohnungen und verlangen den Maximal- beziehungsweise Marktpreis. Deshalb muss auch der Staat Wohnungen aufkaufen und günstig vermieten. Für die Stadt Zürich etwa fordert die SP den Kauf von jährlich 500 Wohnungen. Dazu sollen 250 Millionen Franken zur Verfügung gestellt werden.
Da ist etwas dran, wie folgende Modellrechnung zeigt: Kauft ein privater Investor ein Mietobjekt für eine Million Franken, hat er im Jahr 2020 – laut dem Immomonitoring von Wuest Partner – eine Netto-Cashflowrendite (nach Abzug aller Kosten) von 3,2 und eine Preissteigerung von 3,7 Prozent erzielt. Das heisst: Er konnte vom Mieter 32'000 Franken netto eintreiben und kann, wenn es so weiter geht, diesen Betrag jährlich um rund 1000 Franken erhöhen.
Wenn der Staat die Immobilie erwirbt
Kauft der Staat dieselbe Immobilie, kann er sich mit – sagen wir – 1,5 Prozent Nettorendite zufriedengeben und auf jährliche Erhöhungen verzichten. Der Mieter spart also im ersten Jahr monatlich rund 1400 Franken, im zweiten schon 1500 Franken und so weiter. Der «Staatsmieter» ist somit in etwa gleich «privilegiert», wie jemand, der dieselbe Wohnung kaufen kann.
Die Modellrechnung zeigt auch, dass der private Mieter zweimal geschöpft wird: erstens durch die hohen Immobilienpreise und zweitens durch die Financiers.
Was die Rechten an der linken Lösung kritisieren
Das Problem mit dieser linken Lösung – und darauf weisen rechte Politiker in Streitgesprächen regelmässig hin – ist ein Zweifaches: Erstens sind die Mittel des Staates beschränkt. Statt auf diese Weise nur wenigen «Privilegierten» zu einer billigeren Miete zu verhelfen, soll der Staat lieber Zuschüsse an die zahlen, die es wirklich nötig haben. Zweitens: Steigt der Staat auch noch in den Immobilienmarkt ein, steigen die Preise erst recht. Ergo schlägt die Rechte vor, allen zu helfen, indem man «den Markt spielen lässt». Werde das Angebot etwa durch Einzonungen, Aufstockungen und schnellere Baugenehmigungen erhöht, sinken tendenziell auch die Preise.
Baute man zudem den Nahverkehr aus, würden auch billigere Wohnungen in Randgebieten attraktiv. Doch dieser Ansatz leidet unter einer doppelt falschen Auslegung der ökonomischen Theorie. Erstens hängt der Preis, zumindest langfristig, nicht von Angebot und Nachfrage ab, sondern umgekehrt: Der Preis dirigiert. Liegt er über den Kosten, steigt das Angebot und die Nachfrage sinkt, liegt er darunter, sinkt das Angebot und die Nachfrage steigt.
Kosten bestimmen den Preis auch
Letztlich wird der Preis also durch die Kosten bestimmt. Darin liegt ja der Charme des Marktes, dass er erstens die Preise in Richtung Kosten drückt und dass diese dank der Konkurrenz tendenziell sinken. Zweitens gelten diese Marktgesetze nur für private Güter. Eine Wohnimmobilie ist aber – in wesentlichen Teilen – ein öffentliches Gut.
Das könnte Sie auch interessieren
Fragt man Immobilienfachleute nach den drei wichtigsten Preisfaktoren, lautet die Antwort immer: Lage, Lage, Lage. Auch Abbruchobjekte lösen Rekordpreise, sofern die Lage stimmt. Die Lage ist aber ein öffentliches Gut. Sie hängt in hohem Masse von öffentlichen Investitionen in Schulen, Krankenhäuser, Verkehrswege und Co. ab. Auch tiefe/hohe Steuersätze treiben die Immobilienpreise nach oben oder unten.
Wichtig für die Lage sind auch Verkaufsläden und Kultureinrichtungen. Ökonomen reden von einem Klubgut, dessen Wert davon abhängt, dass möglichst viele – und die Richtigen – mitmachen. Und noch ein weiterer Faktor spielt auf dem Immobilienmarkt eine zunehmende Rolle – die finanzielle Ungleichheit.
Von wem die grösste Wohnungsnachfrage kommt
Die grösste Nachfrage nach Wohnungen kommt heute nicht von Leuten, die (besser) wohnen wollen, sondern von solchen, die ihr Geld möglichst lukrativ und wertsteigernd anlegen wollen.
Diese Leute profitieren als erste davon, wenn sie dank Aufstockung noch mehr Mieter in ihre Immobilien bringen, wenn bisher abgelegene Lagen aufgewertet werden oder wenn sie dank staatlichen Wohngeldern auch einkommensschwachen Mietern monatlich 1200 Franken abknöpfen können. Berücksichtigt man all dies, dann verliert die Variante «den-Markt-noch-mehr-spielen-lassen» viel von ihrem falsch verstandenen marktwirtschaftlichen Charme.
Statt die Mieten zu senken, dürfte sie die Umverteilung von unten nach oben weiter beschleunigen und damit das Problem verschärfen. Doch was ist die Alternative?
Sie fängt mit der Einsicht an, dass Wohnimmobilien ein öffentliches Klubgut sind. Das wiederum würde den ketzerischen Gedanken erträglicher machen, dass der Staat den vom ihm und den anderen Klubmitgliedern geschaffenen Mehrwert (teilweise) abschöpfen und rückverteilen darf.