Wer profitiert, wer verliert
Das bedeutet der Zinsentscheid der EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) leitet die Wende mit einer Zinssenkung ein. Denn das Inflationsgespenst ist fürs Erste vertrieben. Nun soll es mit der Konjunktur wieder aufwärtsgehen. Blick zeigt die Folgen des Entscheids von EZB-Chefin Christine Lagarde auf.
Publiziert: 06.06.2024 um 18:18 Uhr
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Aktualisiert: 06.06.2024 um 20:38 Uhr
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Chefin Christine Lagarde erläutert in Frankfurt den Entscheid der EZB.
Foto: imago/Hannelore Förster
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Patrik BergerRedaktor Wirtschaft

Christine Lagarde (68) hat es endlich getan. Die Juristin aus Paris und Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die geldpolitischen Zügel gelockert und die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Damit liegt der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, neu bei 4,25 Prozent. Den Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, reduziert die Euro-Währungshüterin auf 3,75 Prozent.

Dieser Schritt wurde möglich, weil die Teuerung weniger stark ansteigt. Stabile Preise sind eine zentrale Voraussetzung für Wirtschaftswachstum im Euroraum. Die Zinssenkung soll neuen Schwung in die europäische Wirtschaft bringen. Die EZB erwartet nun einen Anstieg des Bruttoinlandproduktes (BIP) um 0,9 Prozent.

Ferien im Euroland werden günstiger

Tönt alles furchtbar akademisch. Und ganz weit weg. Dem ist aber nicht so. Auch wir Schweizerinnen und Schweizer werden die Auswirkungen des europäischen Zinsentscheides spüren. Noch allerdings verändert sich der Euro-Franken-Kurs kaum. Wer ennet der Grenze einkauft oder seine Ferien in einem Euroland verbringt, merkt die Zinssenkung vorerst nicht im Portemonnaie.

Mit tieferen Zinsen werden Kredite günstiger. Allzu grosse Veränderungen sind aber nicht zu erwarten. Die Zinssenkung ist bereits eingepreist. Konkret: Wer im Euroraum heute eine Hypothek aufnimmt, der zahlt schon jetzt weniger Zinsen als noch vor einigen Monaten. Weil die Akteure schon länger damit gerechnet haben, dass die Zinsen im Juni gesenkt werden.

Sparer haben das Nachsehen

Niedrigere Zinsen sind gut für die Aktienkurse. Zum einen werden die Firmen bei Kreditkosten entlastet, was deren Profitabilität steigert. Anleihen oder Festgeld werden unattraktiver, weil sie weniger abwerfen, Aktien profitieren davon und werden beliebter. Doch auch auf dem Börsenparkett war länger klar, dass die EZB die Zinsen senken würde. Deshalb dürften die Börsen nicht euphorisch reagieren und durch die Decke gehen.

Sparer müssen sich darauf einstellen, dass sie tendenziell weniger Zinsen von der Bank bekommen, wenn sie Geld auf die hohe Kante legen. Da die Entscheidung der Notenbank erwartet worden war, gilt aber auch hier: Viele Banken haben ihre Konditionen schon angepasst und erste Zinssenkungen ihren Sparern durchgegeben. Wenn es weniger gibt fürs Geld auf dem Sparbüchlein, dann wird in Wertanlagen mit besserer Rendite umgeschichtet oder einfach mehr konsumiert. Die Nachfrage steigt.

Deutschland dürfte profitieren

Von Zinssenkungen wird vor allem die schwächelnde Konjunktur im Euroraum und in Europas grösster Volkswirtschaft Deutschland profitieren. Bei unserem nördlichen Nachbarn hofft man inständig, dass die Konjunktur nach anderthalb schwierigen Jahren wieder Fahrt aufnimmt.

Wie viele weitere Zinssenkungen und in welchem Tempo folgen, liess die EZB offen. «Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest», sagt Christine Lagarde. Entscheidungen hingen von der Entwicklung wirtschaftlicher Daten ab. «Wir werden Sitzung für Sitzung entscheiden.» Die nächsten Monate dürften holprig werden, so Lagarde mit Blick auf die Inflation. Viele Ökonomen erwarten derzeit nach einer Pause im Juli die nächste Zinssenkung im September.

Nach neuester Prognose der Notenbank wird die Teuerung im Euroraum etwas langsamer zurückgehen als zuletzt erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die EZB nun mit einer Inflationsrate von 2,5 Prozent, im März hatte die Notenbank noch 2,3 Prozent vorhergesagt. 2025 wird eine Rate von 2,2 Prozent erwartet. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer jährlichen Inflationsrate von zwei Prozent an.

SNB hat Zinsen bereits gesenkt

Wie geht es weiter mit den Zinsen in der Schweiz? Die SNB hat bereits im März für eine Überraschung gesorgt und als eine der ersten wichtigen Nationalbanken den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent gesenkt.

In zwei Wochen hat die Nationalbank bei ihrer nächsten Lagebeurteilung die Gelegenheit, ins Zinsgeschehen einzugreifen. Angesichts der Inflation von 1,4 Prozent und einem Leitzins, der gemäss SNB gerade etwa konjunkturneutral ist, drängt sich aber vorerst keine weitere Zinssenkung auf.


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