Weil den Schweizern der Appetit auf Pommes vergangen ist
Kartoffeln landen im Sautrog statt in der Friteuse

Seit März ist der Pommes-Konsum massiv unter Vorjahr, die Lager sind noch voll. Und jetzt kommt schon die neue Kartoffelernte. Millionen landen im Saufutter.
Publiziert: 08.10.2020 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2020 um 10:58 Uhr
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Bauer Hans Gränicher (62) hat schon tonnenweise Kartoffeln ausgegraben.
Foto: Marc Iseli
Marc Iseli

Die Kartoffelernte steht kurz vor dem Abschluss. Die meisten Äcker sind schon umgegraben, das Resultat erfreulich. 2020 ist ein sehr gutes Kartoffeljahr. «Die Ernte fällt überdurchschnittlich aus», sagt Ruedi Fischer (52), Präsident der Schweizer Kartoffelbauern. «Im Osten noch besser als im Westen.»

Hans Gränicher (62) bestätigt diese Aussage. Der Bauer aus dem bernischen Berken hat bereits tonnenweise Härdöpfel aus dem Boden geholt. «Die Qualität der diesjährigen Kartoffeln ist sehr gut», sagt er. «Das gilt für fast alle Sorten.»

Auch die Industrie jubelt: Chips-Hersteller Zweifel kündigt an, bis Mitte des nächsten Jahres auf deutsche Importe verzichten zu können. «Wir gehen davon aus, dass die Erträge der Kartoffelernte gut sein werden und wir eine vollständige Kartoffelversorgung aus Schweizer Anbau erreichen», so eine Sprecherin.

Pommes-Krise wegen Corona

Das sind gute Nachrichten. Eigentlich. Es gibt nur ein Problem: Die Rekordernte trifft auf volle Lager. Die Schweiz sitzt auf einem Berg von Fritten. Der Lockdown im Frühjahr und die weiteren Corona-Massnahmen haben den Pommes-Konsum einbrechen lassen. Die Restaurants waren wochenlang zu, Grossveranstaltungen sind seit Monaten verboten. In der Folge blieb das Pommes-Futtern aus, denn die frittierten Stäbli werden meistens ausser Haus konsumiert. Beim Skifahren oder Wandern am Berg. In der Burger-Bude. Beim Grümpi.

Der Berner Traditionsbetrieb Kadi hat die Fritten-Krise voll zu spüren bekommen. Das Unternehmen gehört zu den drei grössten Pommes-Fabrikanten im Land – neben Migros und Fenaco. Kadi produziert unter anderem für Burger King und hat sich auf die Gastronomie spezialisiert. Im Frühling schlug Corona durch. «Während des Lockdowns ist der Umsatz um rund 80 Prozent eingebrochen», sagt ein Sprecher. Seit Mai habe sich die Situation wieder etwas entspannt, das Niveau von einst ist aber nicht erreicht.

Tonnenweise lagern die Pommes noch in den Tiefkühllagern bei minus 25 Grad. Bei Kadi, bei der Landi-Mutter Fenaco, bei der Migros. Haltbar ist die Ware bis ins nächste Jahr. Deshalb zögert die Industrie, kräftig neue Kartoffeln einzukaufen. Für die Bauern bedeutet das, dass sie womöglich auf ihrer Ware sitzenbleiben. Schlimmstenfalls landen Tausende Tonnen wertvolle Pommes-Kartoffeln im Futtertrog der Schweine. Im Klartext heisst das: Millionen sind zur Sau!

Hilfe aus Bern

In normalen Jahren ist eine Überschussproduktion kein Problem. Die Bauern haben eine eigene Versicherung aufgezogen, den Verwertungsfonds. Das ist ein Kässeli, das für Schwankungen bei der Ernte aufkommt und den Markt stabilisiert. Wenn es im Sommer sehr heiss ist und die Ernte gering ausfällt, erhält der Bauer Geld. Wenn die Ernte wie in diesem Jahr besonders üppig ist und ein Teil der teuren Knollen als Tierfutter enden, wird der Landwirt ebenfalls zu einem Teil entschädigt.

Das System hat sich bewährt, doch im Corona-Jahr 2020 ist alles anders. Auch bei den Härdöpfel-Produzenten. Jede vierte Pommes-Kartoffel läuft Gefahr, im Schweinetrog zu landen, wie Landwirt Gränicher schätzt. Der Fonds reicht nicht mehr. Die Ware muss eingelagert werden. Erste Schritte in diese Richtung gibt es, aber auch das kostet Geld.

Hinter den Kulissen laufen deshalb seit einigen Wochen Gespräche mit Bundesbern, wie Ruedi Fischer und der Branchenverband Swisspatat bestätigen. Ein Härtefallgesuch beim Bundesamt für Landwirtschaft wurde abgelehnt. Das Dossier liegt nun beim Eidgenössischen Finanzdepartement. Dieses soll Lösungen für «Einzelfälle von kantonaler oder regionaler Bedeutung» suchen.

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