Wegen Fachkräftemangel
Immer mehr Burnouts unter Ärztinnen und Ärzten

Sie arbeiten mehr als 50 Stunden pro Woche und sind für das Leben und die Gesundheit anderer verantwortlich. Ärztinnen und Ärzte stehen unter enormem Druck. Burnouts sind in dieser Berufsgruppe denn auch deutlich häufiger als anderswo – und die Zahl nimmt weiter zu.
Publiziert: 23.10.2022 um 11:15 Uhr
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Unter Ärztinnen und Ärzten gibt es immer mehr Burnouts. Blick ins Universitätsspital Lausanne. (Symbolbild)
Foto: Keystone

Wenn ein Büroangestellter einen schlechten Tag hat, bleibt die Arbeit halt einmal etwas länger liegen. Doch wenn eine Ärztin übermüdet oder gestresst zur Arbeit erscheint, steht schon einmal ein Menschenleben auf dem Spiel. Dieser Druck fordert seinen Tribut: Burnouts, Angstzustände und Depressionen unter Ärztinnen und Ärzten sind auf dem Vormarsch.

Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, meldeten sich im vergangenen Jahr 189 Ärztinnen und Ärzte mit entsprechenden Symptomen bei ReMed, einem Unterstützungsnetzwerk für Ärztinnen und Ärzte. Im Vergleich zu 2015 entspricht das einer Verdoppelung. Auch die FMH, der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, bestätigt gegenüber der Zeitung eine stetige Zunahme der Burnouts.

Last auf immer weniger Schultern verteilt

Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sind Ärztinnen und Ärzte doppelt so oft von einem Burnout betroffen. Ärztinnen wenden sich häufiger an Beratungsstellen als Ärzte, wobei das nicht automatisch heisst, dass sie auch häufiger von Burnouts betroffen sind. Möglicherweise ist allerdings unter Frauen die Hemmschwelle tiefer, sich im Fall der Fälle Hilfe zu suchen.

Für den Anstieg verantwortlich ist einerseits die Corona-Pandemie. Sie führte unter der Ärzteschaft, besonders an den Spitälern, zu noch mehr Arbeitsbelastung und Stress. Wie Blick kürzlich berichtete, werden Ärztinnen und Ärzte auch immer häufiger Opfer aggressiver Patienten, die verbal oder körperlich auf die Belegschaft losgehen. Auch dies eine Folge der Pandemie.

Andererseits trägt der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen seinen Teil zur steigenden Anzahl an Burnouts bei: Wenn Stellen nicht besetzt werden können, muss die verbleibende Belegschaft einspringen. Die Last wird auf immer weniger Schultern verteilt.

Operieren nach 1 Stunde Schlaf

Kommt hinzu, dass Spitäler für verantwortungsvolle Positionen immer häufiger auf jüngere, unerfahrenere Ärztinnen und Ärzte setzen – weil sie schlicht niemand anderen finden. Einige von ihnen sehen sich den Herausforderungen am Ende nicht gewachsen.

Gerade unter Assistenzärztinnen und -ärzten ist die Stressbelastung denn auch besonders hoch: Mehrere Assistenzärzte berichteten kürzlich im Blick von ihren Arbeitsbedingungen. «Ich habe zum Teil von 6.30 bis 22 Uhr gearbeitet», erzählte etwa Thomas R.*. Über Nacht hatte er zusätzlich Pikettdienst. Kam ein Notfall rein, musste es schnell gehen. «Man kriegt nur eine oder zwei Stunden Schlaf und operiert danach stundenlang.»

10 Prozent steigen aus

Thomas R. war irgendwann so frustriert, dass er dem Ärzteberuf den Rücken kehrte. Keine Seltenheit: Jeder zehnte Arzt steigt laut Zahlen des Verbands der schweizerischen Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) vorzeitig aus der Branche aus.

Besserung ist nicht in Sicht: Mit jedem Berufsaussteiger und jedem Burnout nimmt der Druck auf die verbleibenden Ärztinnen und Ärzte weiter zu, was im Extremfall zu noch mehr Burnouts führt. Ein Teufelskreis, der sich am Ende auch auf die Patientinnen und Patienten auswirkt. Wenn Ärztinnen und Ärzte krank ausfallen, müssen Betten geschlossen werden, die Spitalkapazität nimmt ab. Und am Ende schwindet auch die Qualität der Gesundheitsversorgung.

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